Rampenlicht
- Geboren in Wuppertal-Elberfeld, aufgewachsen in München
- Studium Violine, Klavier und Dirigieren an der Staatlichen Musikhochschule München
- 1.Kapellmeister Theater Passau, Staatstheater Cottbus, stellvertretender Generalmusikdirektor Ulm. Gastdirigate Gärtnerplatztheater München, Theater Chemnitz, Theater Brünn, Mainfranken Theater Würzburg, Staatstheater Oldenburg, Theater Regensburg, Teatro Lauro Rossi Macerata, Teatro Colón Buenos Aires, Opéra de Monte-Carlo, Volksoper Wien.
- Auf jenen „Brettern, die die Welt bedeuten“ sind Höhenflüge, wie auch das Gegenteil möglich. Klänge, die mir unvergesslich bleiben, erlebte ich dirigierend im Gewandhaus Leipzig, Palau de la Musica Barcelona, Festspielhaus Baden-Baden, Teatro Colón Buenos Aires, Berliner Philharmonie, Orpheum Vancouver, Brixner Dom, Wiener Konzerthaus, Salle Wilfried Pelletier Montreal.
- International tätig als Dirigent
- Zahlreiche Länder und Sprachen, unterschiedlichste Menschen, Konzertsäle und Opernhäuser - eine Verbindung: Musik.
Portrait
Daniel Beyer
Musik kommt aus der Stille, lebt durch Klang, kann verbinden - auch mit dem Universum. Der Radius ihrer Möglichkeiten ist unbegrenzt, ebenso die Wege, sich ihr zu nähern, ihre Wirkungen zu ergründen. Wer dem Dirigenten Daniel Beyer bei der Probenarbeit oder im Gespräch begegnet, erlebt ihn als Suchenden: “Nicht Entweder - oder, sondern Entweder UND oder, lehrt die Beschäftigung mit Musik”, sagt er. Dass man als Musiker immer wieder von Neuem am Anfang einer Reise zum Gehalt, zur Aussage der Kompositionen steht, entspricht dem Wesen von Musik: “Sie verrät nie ihr letztes Geheimnis” (Oscar Wilde). Unvorhersehbar, janusköpfig, Höhen wie Tiefen beinhaltend, fordert die Musik den Ausführenden ganz. Ihre Sinnhaftigkeit, ihren Wert erlebbar zu machen, sieht Daniel Beyer als ein zentrales Anliegen seiner Tätigkeit mit den musikalischen Partnern, und im Dialog mit dem Publikum. “Werktreue”- so der Dirigent - lässt sich nur erzielen, wenn man bereit ist der Intention des Komponisten nachzuspüren, ihr grösstmögliche Hingabe widmet. „Die detaillierte Beschäftigung, das Immerwährende Neu-Lesen der Partitur sehe ich als die Grundlage, um erkennen zu können was ein Werk im Innern zusammenhält, was es vermitteln möchte. Die Tatsache, dass die Notation einer Partitur eigentlich eine
Hyroglyphenschrift darstellt, eröffnet dem Interpreten endlose Fragen, das Ergebnis bleibt offen. Denn letztlich entzieht sich ein Konzert oder eine Opernaufführung der Fixierung, allein schon durch unterschiedlichste Wahrnehmungen des gemeinsam Erreichten und Erlebten”. Daniel Beyer studierte Violine, Klavier und Dirigieren (Prof. Hermann Michael) an der Staatlichen Musikhochschule München, Anfänge und erste Erfolge als Dirigent sind eng mit seiner Wahlheimat verbunden. Dem Debüt mit den Münchner Symphonikern im Herkuless-Saal der Residenz folgten Einladungen des Staatstheaters am Gärtnerplatz (Eine Nacht in Venedig), des Münchner Rundfunkorchesters (Uraufführung „Prometeo“ von Peter Kiesewetter), ein umjubeltes Gala-Konzert mit dem Tenor-Star Peter Seiffert in der Münchner Philharmonie, sowie eine erstmalige Südamerika Tournee mit dem Bach-Collegium München. Nachhaltig prägend erwies sich für ihn eine ebenso wichtige, wie überraschende Begegnung in München: Lorin Maazel bescheinigte Daniel Beyer „enormes dirigentisches Potential“, nachdem er ihn anlässlich einer Probe Teile des Brahms-Requiems mit Chor- und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dirigieren liess.
“Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehen” - hat Beethoven seiner “Missa Solemnis” mit auf den Weg gegeben. Direkter und und ehrlicher, kann Anspruch und Wirkung einer Verbindung durch Musik kaum benannt werden. Mit der Chor- und Sakralmusik, von Bach bis Strawinsky und Avo Pärt, befasst sich Daniel Beyer von Beginn seiner Tätigkeit an, sie bildet ein Zentrum seines Interesses.
Repertoire
OPER
GLUCK ALCESTE MOZART IDOMENEO ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL LE NOZZE FIGARO COSI FAN TUTTE DON GIOVANNI DIE ZAUBERFLÖTE DER SCHAUSPIELDIREKTOR BETULIA LIBERATA WEBER DER FREISCHÜTZ ROSSINI L`ITALIANA IN ALGERI LA CENERENTOLA CIMAROSA IL MATRIMONIO SEGRETO DONIZETTI LUCIA DI LAMMERMOOR BIZET CARMEN
FLOTOW MARTHA NICOLAI DIE LUSTIGEN WEIBER VON WINDSOR LORTZING ZAR UND ZIMMERMANN DER WILDSCHÜTZ WAGNER DER FLIEGENDE HOLLÄNDER LOHENGRIN DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG VERDI AIDA LA TRAVIATA IL TROVATORE MACBETH OTELLO OFFENBACH HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN DIE SCHÖNE HELENA LEONCAVALLO BAJAZZO MASCAGNI CAVALLERIA RUSTICANA
PUCCINI MADAME BUTTERFLY GIANNI SCHICCI TOSCA LA BOHEME HUMPERDINCK HÄNSEL UND GRETEL SAINT SAENS SAMSON UND DALILA STRAUSS ARABELLA (Auszüge) ARIADNE AUF NAXOS DER ROSENKAVALIER SALOME BERG WOZZECK BRTTEN SOMMERNACHTSTRAUM DE FALLA LA VIDA BREVE ORFF DER MOND ZEMLINSKY DER ZWERG
OPERETTE
DIE FLEDERMAUS EINE NACHT IN VENEDIG DER ZIGEUNERBARON WIENER BLUT - Johann Strauß DIE LUSTIGE WITWE - Franz Lehár DAS LAND DES LÄCHELNS - Franz Lehár DER VOGELHÄNDLER - Carl Zeller DER OPERNBALL - Richard Heuberger GASPARONE - Karl Millöcker EIN WALZERTRAUM - Oscar Straus FRAU LUNA - Paul Lincke ANATEVKA DAS FEUERWERK PHANTOM DER OPER
BALLETT
HAUS DER SCHATTEN - Benjamin Britten DER DREISPITZ - Manuel de Falla RAYMONDA - Alexander Glasunow LA FILLE MAL GARDÉE - Ferdinand Herold LES PETITS RIENS - W.A. Mozart PANTALON E COLOMBINE - W.A. Mozart JEUX DE CARTES - Igor Strawinsky APOLLON MUSAGETE - Igor Strawinsky GISELLE - Adolphe Adam SCHWANENSEE - Peter Tschaikowsky DORNRÖSCHEN - Peter Tschaikowsky
KONZERT
ANTONIO VIVALDI Concerto A-Dur RV 158 – Sinfonia a 4 h-moll RV 169 Die vier Jahreszeiten HENRY PURCELL Chaconne g-moll für Streicher A.MARCELLO Oboenkonzert d-moll GEORG F.HÄNDEL Concerti grossi op.6 Nr.4 und 12 – Feuerwerksmusik HWV 351 JOH.CHR.BACH Sinfonien op.6 Nr.1 und 5 JOH.SEB.BACH Brandenburgische Konzerte Nr. 2,3,4,5,6 Orchester – Suiten Nr.1,2,4 Kantaten BWV 80 und 82 Cembalokonzert BWV 1052 – Violinkonzert E-Dur BWV 1042 Doppelkonzerte BWV 1043 und 1060
* * *
SAMUEL BARBER Adagio für Streicher BELA BARTOK Konzert für Orchester – 3.Klavierkonzert – Divertimento für Streicher – Rumänische Volkstänze LEONARD BERNSTEIN Divertimento für Orchester BENJAMIN BRITTEN Simple Symphony L.v.BEETHOVEN Sinfonien 1,2,3,5,6,7,9 Ouvertüren zu Coriolan – Fidelio – Leonore 2 + 3 – König Stephan - Egmont ALBAN BERG Bruchstücke aus „Wozzeck“ HECTOR BERLIOZ Ouvertüre „Römischer Carneval“ – Symphonie Fantastique JOHANNES BRAHMS Sinfonie Nr.1/2/4 – Tragische Ouvertüre – Haydn-Variationen – Violinkonzert – Klavierkonzert Nr.2 – Doppelkonzert ANTON BRUCKNER Sinfonien 3,4,7,9 FREDERIC CHOPIN Klavierkonzert Nr.2 f-moll CLAUDE DEBUSSY Jeux
ANTONIN DVORAK Sinfonie Nr.7,8 – Scherzo capriccioso op.66 - Cellokonzert – Carneval Ouvertüre MANUEL DE FALLA Nächte in Spanischen Gärten EDWARD ELGAR Cellokonzert e-moll EDVARD GRIEG Klavierkonzert – Zwei Melodien op.34 – Holberg-Suite JOSEPH HAYDN Sinfonien Nr.44,48,49,59,94,101,104 – Cellokonzert D-Dur + C-Dur HANS WERNER HENZE 5 Neapolitanische Lieder – Der junge Törless PAUL HINDEMITH Nobilissima visione – Trauermusik – Sinfonische Metarmophosen LEOS JANACEK Suite für Streicher PETER KIESEWETTER PROMETEO (Uraufführung) EDUARD LALO Cellokonzert d-moll GUSTAV MAHLER Sinfonien Nr.1,2,5,6 – Rückert Lieder - Kindertotenlieder MENDELSSOHN Sinfonien Nr. 3,4,5 – Overtüren zu „Hebriden“, „Schöne Melusine“ – Violinkonzert – Klavierkonzert g-moll W.A. MOZART Sinfonien KV 183,201,297,318,385,425,550 – Divertimenti KV 136,138,251 – Violinkonzerte KV 218 und 219 – Klavierkonzerte KV 413,466, 488, 491 – Hornkonzert KV 495 – Sinfonia concertante KV 364 – Konzert für Flöte/Harfe KV 299 JULES MASSENET Meditation aus „Thais“ SULCHAN NASIDZE Sinfonie Nr.3 – Oboenkonzert – Doppelkonzert GIACOMO PUCCINI Crisantemi HANS PFITZNER Vorspiele zu „Palestrina“ – Ouvertüre „Das Käthchen von Heilbronn“ SERGEJ PROKOFIEFF Symphonie classique – Violinkonzert Nr.1 – Klavierkonzert Nr.3 – Peter und der Wolf SERGEJ RACHMANINOFF Klavierkonzert Nr.2 MUSSORKSKY/ RAVEL Bilder einer Ausstellung
MAURICE RAVELPavane – Ma mere l`oye – Rhapsodie Espagnole – La Valse - Klavierkonzert G-Dur – Alborada del grazioso OTTORINO RESPIGHI Antiche Danze ed Arie GIOACCHINO ROSSINI Ouvertüren La scala die seta – Italienerin in Algier – La gazza ladra – Wilhelm Tell N. RIMSKY-KORSAKOW Der goldene Hahn – Ouvertüre „Die Zarenbraut“ CAMILLE SAINT-SAENS Karneval der Tiere ARNOLD SCHÖNBERG Verklärte Nacht – Musik zu einer Lichtspielszene JEAN SIBELIUS Der Schwan von Tuonela – Sinfonien Nr.1,2,4 – Violinkonzert d-moll FRANZ SCHUBERT Sinfonien Nr.2,3,8 „Unvollendete“ – Rondo A-Dur für Violine und Orchester ROBERT SCHUMANN Sinfonien 2,3,4 – Klavierkonzert – Manfred Ouvertüre LOUIS SPOHR Violinkonzert Nr.8 „Gesangsszene“ FRANZ VON SUPPÈ Leichte Kavallerie – Pique Dame – Schöne Galathee – Ouvertütren RICHARD STRAUSS Vorspiel zu „Capriccio“ – Aus Italien op.16 – Don Juan op.20 – Der Bürger als Edelmann-Suite – Rosenkavalier Walzerfolge – Oboenkonzert – Tod und Verklärung op.24 – Schlagobers-Ballettmusik – Vier letzte Lieder – Till Eulenspiegel op.28 IGOR STRAWINSKY Jeu de Cartes – Apollon Musagete – Gesang der Nachtigall - Zirkuspolka - Pulcinella Suite – Violinkonzert – Der Feuervogel (1919) – Apollon musagete – Concerto in D - PETER TSCHAIKOWSKY Sinfonien Nr,2,4,5,6 – Capriccio Italien – Schwanensee-Suite – Dornröschen-Suite + gesamtes Ballett – Streicherserenade – Souvenir de Florence – Polonaise aus „Eugen Onegin“ – Klavierkonzert Nr.1+2 – Violinkonzert D-Dur RICHARD WAGNER Vorspiele zu „Lohengrin“ und „Meistersinger“ – Ouvertüre „Der fliegende Holländer“ – „Tannhäuser“ C.M. v. WEBER Ouvertüren zu „Euryanthe“ – „Oberon“ – Beherrscher der Geister ANTON VON WEBERN Passacaglia op.1 – Im Sommerwind
Galerie
Wegweiser
Der "Wegweiser" führt zu selbst verfassten Texten, Gedanken, Erinnerungen, Persönlichem, Hinweisen, Bekanntem und Ungewöhnlichem.
KULTURMENÜ - der Podcast von Angelika Ortner
Gustav Mahler - „Adagietto“ aus der 5. Sinfonie in Viscontis Film „Der Tod in Venedig“
Angelika Ortner im Gespräch mit Dirigent Daniel Beyer - 19. Mai 2024
Dieses Werk ist der 4. Satz von Gustav Mahlers 5. Symphonie. Der Dirigent Daniel Beyer hört darin eine Hoffnung auf eine beginnende Liebe, wenngleich er auch meint, dass bei Mahlers Musik immer ein imaginärer Abgrund zu spüren ist, über dem alles schnell zusammenstürzen kann. Wer einen Weg zu dieser aufwühlenden, bereichernden Musik finden möchte, findet ihn vielleicht in dieser Folge.
„EINE KLEINE HARMLOSE SACHE, DIE ABER DOCH VIELLEICHT MAL
BEI GELEGENHEIT INS GEWICHT FALLEN KANN ?“
Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. (Wilhelm Busch)
Trotz des enormen Tempos, mit dem die Kriegsmarine unter dem Großadmiral Erich Raeder aufgerüstet wurde, war die zahlenmässige Unterlegenheit der deutschen Flotte schnell erkennbar, wodurch sie vorwiegend nur defensiv agieren konnte; hinzu kam der erhebliche Verlust grosser Kampfschiffe zwischen 1939 - 1941.
Die Kriegsführung forcierte daher den Einsatz von U-Booten, welche allerdings eine hohe Anfälligkeit aufwiesen, da ihr technischer Standard noch unzureichend war. Das Training und die rasch zunehmenden „Feindfahrten“ in den überhitzten, sehr engen „Stahlkapseln“ wurde für die Besatzungen – zu denen auch mein Vater eingeteilt war - zur physischen und psychischen Höchstbelastung, von der einige nicht mehr zurückkehrten.
In dieser angespannten und ungewissen Zeit erwies sich das Musikkorps für viele – so auch meinen Vater – als Rettungsanker. Obwohl auch hier der schnittig-scharfe Befehlston herrschte, die Abläufe und das äussere Erscheinungsbild auf das penibelste getaktet waren: es wurde Musik gemacht!
Mein Vater war als Schlagzeuger eingeteilt, durchlief die Ausbildung der gesamten „Schiessbude“ (wie unter Musikern die Palette des Schlagwerks genannt wird) und fand sich in den Fußstapfen seines Vaters wieder…
Groß besetzt, und qualitativ feinst poliert, stand das Musikkorps unter Leitung eines Obermusikmeisters für repräsentative Veranstaltungen, Feiern, militärische Anlässe, aber auch zu Promenade-Konzerten für die dortige Bevölkerung zur Verfügung.
Das gemeinsame Musizieren brachte aber auch die Gelegenheit, abseits des militärischen Drills zu kommunizieren, Freundschaften entstehen zu lassen.
In einem Brief, den mein Vater anlässlich seines 20. Geburtstages nach Hause schrieb, lässt er eine „Gesprächsrunde“ anklingen:
Brief an die Eltern 25.2. 1942
Meine Lieben!
Vielen Dank für die Briefe. Morgen werde ich also 20 Jahre. Ich muss schon sagen, etwas komisch, wenn ich daran denke, schon 20 Jahre alt. Wie schnell doch alles geht. Nun, das Schönste habe ich bestimmt hinter mir und ich danke meinem Schicksal für jeden schönen Tag, den es mir gebracht hat in den vorigen Jahren.
Vorläufig geht’s mir ja jetzt verhältnismäßig noch sehr anständig hier in Wilhelmshaven, und ich bin froh, daß ich noch nicht auf Feindfahrt mit muß, das kann aber täglich kommen, ich sehe es bei meinen Kameraden. Nun, mal abwarten. Ob auf dem Schiff oder im Schützengraben, das ist ja schließlich einerlei, gefährlich ists überall und das Schicksal geht doch seinen Weg.
……
Morgen werden wir also zusammen meinen 20. feiern. Wir gehen ins Soldatenheim, wo wir eine sehr gemütliche ruhige Ecke für uns gemietet haben, der Hans, der Heinz, Julius, Gerhard, Herbert und ich.
Im übrigen wird der Tag verlaufen wie jeder andere auch.
Das heißt, einen Marsch für das Musikkorps habe ich neulich an einem freien Mittag geschrieben, der soll demnächst gespielt werden, eine kleine harmlose Sache, die aber doch vielleicht mal bei Gelegenheit ins Gewicht fallen kann?
Franz Beyer „Gratulationsmarsch“ 1942
Im Januar 1943 wurde mein Vater zum Einsatz auf das Schlachtschiff „Tirpitz“ abkommandiert, Dienstbeginn 1. Februar. Wie schon seit Beginn seiner Marinezeit, spielte er auch in diesen noch verbleibenden Wochen abends Klavier im Offizierskasino. Auf „Zuruf“ präludierte er die beliebten Schlager und Evergreens der damaligen Jahre, das Repertoire war uferlos.
Ein musikliebender Offizier, der ihm gewogen war, sprach ihn an: „Beyer, Sie spielen so schön – nächste Woche habe ich Geburtstag, können Sie nicht etwas für mich komponieren?“ Mein Vater dachte an die kleine harmlose Sache und bejahte. Den Marsch, welchen er an jenem freien Mittag komponiert hatte, titulierte er „Gratulationsmarsch“ und das Musikkorps spielte ihn am Geburtstag des Offiziers. Daraufhin passierte das Unglaubliche: der Offizier war heftig ergriffen. Er sagte zu meinem Vater: „Beyer, Sie gehen nicht auf die Tirpitz. Ich sorge dafür, dass Sie hierbleiben!“
„Die Tirpitz“, das bis heute größte jemals in Europa fertiggestellte Schlachtschiff, wurde am 25. Februar 1941 mit einer Besatzung von 2.500 Mann in Dienst gestellt. Nach mehreren erfolglosen Versuchen das Schiff zu zerstören, wurde die Tirpitz am 12. November 1944 durch einen Luftangriff der Royal Air Force zum Kentern gebracht.
Durch Abwurf von „Tallboy“- Bomben kam es an Bord zu einer gewaltigen Explosion, bei dem auch einer der Schiffstürme aus 12 Metern Höhe auf das Deck stürzte. Der Befehl „Alle Mann von Bord“ kam für die meisten zu spät, 1204 Mann der Besatzung verloren ihr Leben.
Unter ihnen hätte auch mein Vater sein können.
Daniel Beyer
Zürich, 29. Juni 2023
“Ships that pass in the night, and speak each other in passing,
Only a signal shown and a distant voice in the darkness;
So on the ocean of life, we pass and speak one another,
Only a look and a voice, then darkness again and silence.”
Henry W. Longfellows – 1807 - 1882
Tales of a Wayside Inn
FILM AB!
„Wenn es nur eine Wahrheit gäbe,
könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen“
Pablo Picasso
Mit dem rasanten Aufkommen kommerzieller Großkinos, welche begannen die Zuschauer eher mit dem trendigen Ambiente von Vergnügungspalästen, als durch die Qualität der gebotenen Filme zu unterhalten, schwand zunehmend mein vitales Interesse an Kinobesuchen. Das Vergnügen, auf meinen Auslandsreisen Filme in ihrer Originalsprache anzusehen hat sich dagegen erhalten.
Einige Eindrücke sind verblasst, oder ganz verschwunden. Eine Reihe von Filmen aber hat ihre Anziehung, Frische und Einmaligkeit über alle Jahre hinweg behalten. Sie begeistern mich bei jedem Wieder-Sehen aufs Neue.
CASABLANCA
USA 1942 - Regie: Michael Curtiz
Packende Handlung, Spannung vom ersten bis zum letzten Moment.
„Ricks Bar“ bietet allabendlich den schillernd-mondänen Schauplatz, in dem alle Fäden des damaligen „Pulverfasses“ Casablanca zusammenlaufen.
Haupt- und Nebendarsteller in Hochform lassen bitten! Ob der glitschig-changierende Captaine Renault (Claude Rains), der messerscharf-schnittige Major Strasser (Conrad Veidt), der verträumt-noble Viktor László (Paul Henreid), oder der in seinem Lokal „Blauer Papagei“ Fliegen-patschende Signor Ferrari (Sydney Greenstreet): durchwegs prägnante Charaktere, die dem Spannungsnetz dieses Films gehörig Stringenz verleihen.
Oberkellner Carl (S.Z. Sakall) liefert ein Kabinettstück feinsten Humors, der panische Kurzauftritt von Ugarte (Peter Lorre) erlangte Kultstatus.
Die einstige Verbindung von Rick (Bogart) und Ilsa (Bergmann) fokussiert sich durch die Brisanz der aktuellen Lage rasant, und läuft auf ein „entweder-oder“ für beide zu. Geschliffene Dialoge, Aufflammen vergangener Gefühle, Rick’s resignierte Einsamkeit während Sam (Dooley Wilson) „As time goes by“ in der nächtlich- geleerten Bar für ihn spielt…
Humphrey Bogart brilliert unübertroffen, ebenso Ingrid Bergmann - ihr überraschendes Erscheinen in Ricks Büro bleibt ein singulär großer Moment.
Zu Recht eine Filmlegende die mit 3 Oscars ausgezeichnet wurde.
DER DRITTE MANN
England 1949 - Regie: Carol Reed
Der Film beginnt mit einem „unechten“ Begräbnis, und endet mit dem echten von ein und derselben Person: Harry Lime.
Zeit und Ort sind klar definiert: Wien in der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs, noch stark verwüstet und von den vier Siegermächten besetzt. In einer Atmosphäre zwischen „nicht mehr und noch nicht“, gelang dem damaligen Produktionsteam eine spannungsgeladene, soghaft verdichtete Visualisierung von Ausnahmerang.
Dank überragender Schauspieler, neuartig verwendeter „Schräg-Kamera“ Einstellungen (Robert Krasker), der zum Welthit avancierten Musik („Harry Lime Thema“) des Zitherspielers Anton Karas, und der in Atem haltenden Regie von Carol Reed, hat sich dieser Film eine unikale Zeitlosigkeit bewahrt.
Kürzer, als auf der neuen Digital -Veröffentlichung der Arthaus Edition lässt sich die Handlung kaum auf den Punkt bringen:
„Der Schriftsteller Holly Martins (Joseph Cotten) trifft im Nachkriegs-Wien ein, um seinen alten Freund Harry Lime (Orson Welles) zu besuchen. Er kommt gerade noch rechtzeitig zu dessen Beerdigung. Bei seinen Nachforschungen, die ihn zu der Schauspielerin Anna Schmidt (Alida Valli) führen, findet er heraus, dass Lime quicklebendig ist und seinen angeblichen Tod nur inszeniert hat, um ungestört seinen Schwarzmarktgeschäften mit Medikamenten nachgehen zu können“.
Holly Martins kann sich die verwirrenden Vorkommnisse nicht erklären und ist entschlossen, Harry Lime ausfindig zu machen. Doch sein Vorhaben gestaltet sich zäh. Paul Hörbiger als Portier Karl („Da war noch ein dritter Mann“) samt seiner keifenden Gattin (Annie Rosar) bieten einen markanten Auftakt der zunehmend seltsamen Geschehnisse, welche Martins bald hautnah einholen: nachdem ihm der Portier noch nähere Beobachtungen zum Hergang des Unfalls mitgeteilt hat, wird er am nächsten Tag ermordet aufgefunden.
Auch bei Harry Limes ehemaliger Freundin Anna kommt Martins nicht weiter, sie gibt sich wortkarg und verbittert; ihre Gefühle für Harry sind keineswegs erloschen. Lime hat der Schauspielerin gefälschte Papiere verschafft, um ihr eine Arbeitsmöglichkeit in Wien zu ermöglichen, und ihre tschechische Herkunft zu verschleiern. Allerdings fliegt die Fälschung auf, sodass Anna damit rechnet der sowjetischen Besatzungsmacht ausgeliefert zu werden. Holly Martins sagt ihr zu dies abwenden zu wollen, zumal er sich von Anna angezogen fühlt.
Ein dubioser „Baron“ Kurtz (Ernst Deutsch spielt glänzend) ist vor allem Eines: schmierig-undurchsichtig. Wieviel, und ob er etwas von dem „Unfall“ Harrys mitbekommen hat, bleibt im Ungefähren… Welche Rolle der unverbindliche Hausarzt Dr. Winkel (Erich Ponto) oder ein gewisser Popescu (Siegfried Breuer) spielt - wer weiss es?
Sowohl Martins, als auch der bemühte Major Calloway (Trevor Howard) tappen lange im Dunkeln, bis ER auftaucht: Harry Lime. Und dieser Auftritt hat es in sich! Bei Nacht, vor einem Hauseingang sieht man nichts als zwei blank geputzte Herrenschuhe, welche zuerst von einer Katze, und dann von Martins - er befindet sich auf dem Weg zu seinem Hotel - entdeckt werden.
Langsam fährt die Kamera nach oben und erfasst das bleiche Gesicht von Orson Welles, ganz in schwarz, und mit einem breitkrempigen Hut bekleidet.
Eine Szene von magischer Wirkung.
So schnell wie er aufgetaucht ist, verschwindet er nach kurzem Dialog auch wieder, und damit nimmt die Jagd nach ihm Fahrt auf.
Von Major Calloway erfährt Martins, dass sein Freund Harry Geschäfte mit gestrecktem Penicillin betreibt, welches über die gefährlichste Schieberbande Wiens verteilt wird. Dauerhafte Schäden der Behandelten, bis hin zum Tod sind die Folge des gepanschten Medikaments.
Martins geht aufs Ganze: er will Harry Lime treffen und ihn zur Rede stellen; durch Vermittlung von Baron Kurtz schlägt er ein Treffen vor. Am Riesenrad im Wiener Prater kommt es zur Begegnung. Die folgende Szene in der Gondel bietet ein Höchstmaß an Spannung, und zeigt Orson Welles auf der Höhe seines Könnens. Er verteidigt seine kriminellen Geschäfte, verweist darauf, dass für ihn das Leben Einzelner bedeutungslos sei und zieht als Joker die berühmt gewordene „Kuckucksuhr“- Rede, welche Welles angeblich aus dem Moment heraus improvisierte: „In Italien, in den 30 Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut. Aber dafür gab es Michelangelo, Leonardo da Vinci und die Renaissance. In der Schweiz herrschte brüderliche Liebe. 500 Jahre Demokratie und Frieden. Und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr!“ Da er während der Rede immer wieder die Tür der Riesenradgondel öffnet, entsteht für Martins (und auch den Zuschauer/in) eine beklemmende Atmosphäre. Martins lehnt es ab, sich an Harrys Geschäften zu beteiligen, daraufhin verschwindet dieser rasch im Nichts.
EXKURS
Die Verhandlungen mit Orson Welles bezüglich seiner Mitwirkung in dem Film gestalteten sich schwierig. Bis zuletzt ließ er das Produktionsteam im Unklaren, ob er überhaupt nach Wien kommen, und die Rolle übernehmen werde.
Die sagenhafte Summe von 100.000 US Dollar welche er verlangte (und bekam!!), machte schließlich den Weg frei. Dennoch mussten ein paar kurze Szenen (die ohne ihn nicht funktioniert hätten) vorab gedoubelt werden, da Welles erst einige Tage nach Drehbeginn in Wien eintraf.
Wesentlich am Erfolg des Films beteiligt ist die Musik.
Erst nach Drehbeginn fiel dem Regisseur Carol Reed in einer Wiener Gaststätte der Zitherspieler Anton Karas auf, dem er den Auftrag zu einer Musik erteilte. Nach Beendigung der Dreharbeiten wurde Karas dafür eigens nach London geflogen, wo er auf den bereits fertig geschnittenen Film seine wirkungsstarke Zither erklingen ließ.
*
Major Calloway bittet Martins nun um Mithilfe, Harry Lime zu fassen.Daraufhin sagt dieser ihm zu, Lime in eine Falle zu locken und verabredet sich mit ihm in einem Cafe. Doch die Falle schnappt nicht zu, da Anna – ebenfalls in dem Cafe anwesend – Lime ein Zeichen gibt, welches dieser sofort versteht.
Blitzartig verschwindet er durch eine getarnte Litfaßsäule in die weitverzweigte Kanalisation Wiens, ein großes Polizeiaufgebot nimmt seine Verfolgung auf. Die spektakuläre Flucht - aufregend gefilmt - endet für Lime schließlich bei einem vergitterten Kanaldeckel, durch den er nicht mehr entkommen kann.
Wortlos, nur mit einem Kopfnicken bedeutet Harry Lime dem herbeigeilten Martins, ein Ende zu setzen - dieser erschiesst daraufhin seinen einstigen Freund.
Mit einer langen Schlusseinstellung endet der Film dort, wo er angefangen hat: auf dem Wiener Zentralfriedhof. Nach Harrys Begräbnis wartet Holly Martins (nah im Bild) auf Anna. Von Ferne sieht man Alida Valli einen langen Weg näherkommen; ohne ihm einen Blick zu widmen geht sie an Martins vorbei.
Einzigartiger Film, der zu meinen persönlichen Favoriten zählt.
MANCHE MÖGEN´S HEISS
USA 1959 – Regie: Billy Wilder
„Nobody´s perfect!“ - der vielleicht berühmteste Schlusssatz der Filmgeschichte trifft auf diesen Film nicht zu, denn er IST perfekt! Das sieht auch das American Film Institute so, welches ihn als beste amerikanische Komödie aller Zeiten benannt hat. Wenig komödienhaft allerdings der Einstieg: Gangsterboss Gamaschen- Colombo (George Raft) lässt kurzerhand einen Verräter umlegen. Pech für die zwei arbeitslosen Musiker Joe (Tony Curtis) und Jerry (Jack Lemmon), die unfreiwillig Zeugen der „Beseitigung“ werden; noch schlimmer: sie werden von der Gangsterbande entdeckt. Den beiden gelingt die Flucht, die nur ein Ziel hat: schnell und weit weg aus Chicago! Agent Poliakoff (Billy Gray) weiss nur von einer Damenkapelle, die gerade im Begriff ist für eine Saison nach Florida abzureisen und noch dringend Saxophon und Baß sucht. Man traut seinen Augen nicht, als man „Josephine“ und „Daphne“ in Stöckelschuhen den Bahnsteig entlanglaufen sieht, bereit, in perfekter Damenkleidung den rettenden Zug nach Florida zu besteigen. Aber Halt! Da will ja noch jemand mit: die bildhübsche Sugar (Marylin Monroe) verzaubert mit ihrem Erscheinen alle und Alles, und das wird sie über diesen ganzen wunderbaren Film weiterhin tun!
Schon bei der ersten Probe der Kapelle im Zug haben sich die beiden neuen „Damen“ rettungslos in Sugar verschaut; als sie dann auch noch zu singen anfängt („Runnin´ Wild“) gibt es kein Halten mehr. Die strenge Bandleaderin Sweet Sue (herrlich: Joan Shawlee) fordert Disziplin ein, misstrauisch dreinblickend…
Die Turbulenz nimmt Fahrt auf, wird unbeschreiblich. Unbeschreiblich schön, rasend komisch, sexy, mondän, zärtlich, euphorisch, sentimental, ausgelassen, bitter-sweet, das Ganze mit brillant-geschliffenen Dialogen gespickt. Dabei schrammt letztlich alles haarscharf an der Realität vorbei, denn nicht zu vergessen: es handelt sich um ZWEI Männer, die als „Damen“ in EINE Frau verliebt sind! (Und als unliebsame „Zeugen“ noch immer auf dem Schirm von Gamaschen-Colombo).
Diamond for ever: Sugars Ausflug auf die Yacht von „Shell Junior“ (wiederum Tony Curtis), bei dem Monroe ihre ganze Sinnlichkeit so fein und prickelnd spüren lässt, wie einen Hauch von Glück. Über allem liegt das Glitzern einer Nacht, die so zauberhaft unwirklich ist – vorbeizieht wie ein Traum.
Genial, wie Billy Wilder die Yacht-Romantik mit direkten Zwischenschnitten zum anderen Schauplatz des Abends kontrastiert: um „Shell Junior“ den Rücken für sein Tete à Tete freizuhalten, erbarmt sich „Daphne“, mit ihrem Verehrer (!) Osgood (Joe E.Brown) endlos Tango zu tanzen.
Absoluter Höhepunkt an Komik!
Als unerwartet die Gangsterbande aus Chicago auftaucht wird es brenzlig, die Verfolgung bedrohlich; doch glücklich endet alles für Sugar, „Daphne“ und „Josephine“ in Osgoods Motorboot, das dem Horizont entgegenfährt.
Die Perle unter Perlen! Dem Trio Monroe, Curtis, Lemmon, ist der Griff nach den Sternen gelungen – von Billy Wilder unübertroffen zum Leuchten gebracht.
DER GROSSE DIKTATOR
USA 1940 - Regie: Charlie Chaplin
Dem 51jährigen Weltstar gelang ein Film von epochaler Bedeutung!
Mitten im 2. Weltkrieg von Charlie Chaplin produziert, hätte die Realisierung und Veröffentlichung von „Der große Diktator“ zu einem „Himmelfahrtskommando“ werden können, handelt es sich doch - mit genialen Mitteln - um die vollständige Lächerlichkeitmachung Hitlers, des Nationalsozialismus und militärischer Gewalt allgemein.
Chaplin, der in der Doppelrolle des jüdischen Friseurs, sowie als Diktator Anton Hynkel des Staates Tomanien jede Gelegenheit nutzt, die Sinnlosigkeit, Niveaulosigkeit und Brutalität des Hitler-Regimes vorzuführen, erzielt mit diesem Appell an die Menschlichkeit eine erschütternde Wirkung, fernab jeder Sentimentalität.
Das von ihm verfasste Drehbuch bündelt in unübertroffener Weise die absurden Rituale des Hitler-Regimes, persifliert durch Überzeichnung, Verniedlichung, aggressiven Tonfall, sowie durch Verwendung der (unverständlichen) tomanischen Sprache, deren Inhalt sich nur erraten lässt.
Der Tanz mit der Weltkugel in Form eines Luftballons (zu den Klängen des Lohengrin Vorspiels) gehört ebenso zu den Höhepunkten des Films, wie der ständig verkehrt ausgerollte rote Teppich bei der Ankunft von Benzino Napoloni (Mussolini), sowie das Duell der beiden Diktatoren auf den sich immer höher- schraubenden Stühlen. Die ganze Tragik der Verfolgungen, Erniedrigungen und Ängste um das Überleben, zieht sich als roter Faden bis zum Ende durch diesen beispiellosen Film.
Die Schlussrede Chaplins für Frieden und Gewaltlosigkeit ist zeitlos, wird ihre Aktualität nie verlieren. Obwohl sein erster Tonfilm für 5 Oscars nominiert wurde, erhielt er bei der Preisverleihung keinen einzigen!!
Wie ein Ausgleich: der enorme finanzielle Erfolg des Films
DES TEUFELS GENERAL
Deutschland 1955 - Regie: Helmut Käutner
Im Dezember 1941 gerät der deutsche Fliegergeneral Harras (Curd Jürgens) unter Sabotageverdacht, nachdem in dichter Reihenfolge mehrere neu konstruierte Maschinen abstürzen. Der Opportunist, scharfkantig und rau im Umgang, glaubt längst nicht mehr an den „Endsieg“ und hält seine Meinung nicht zurück.
Der Hochdekorierte fällt spätestens in Ungnade als es der SS nicht gelingt, Harras für ihre Zwecke zu gewinnen. Wenig später wird er von der Gestapo verhaftet und inhaftiert, die Abholung zur Hinrichtung wird ihm suggeriert.
Unerwartet wird er entlassen und in das Reichsluftfahrtministerium zurück- beordert. Als er von der Kriegserklärung Deutschlands an die USA erfährt, sieht Harras keine realen Chancen mehr für den Gewinn des Krieges, zumal die technischen Probleme mit dem neuen Bombertyp nicht abreissen.
Die wiederholte Aufforderung von SS-Gruppenführer Schmidt-Lausitz (Victor de Kowa) der SS beizutreten schlägt er erneut aus und versucht stattdessen, den ihm unterstellten Verdacht der Sabotage zu entkräften.
Dabei stellt sich bei einem gemeinsamen Testflug heraus dass sein Freund, der Oberst-Ingenieur Karl Oderbruch (Karl John), die Sabotagen zu verantworten hat, was dieser ihm auch bestätigt.
Schmidt-Lausitz fordert Harras auf, binnen 2 Stunden den Saboteur zu nennen oder mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern zurückzutreten, was einem Eingeständnis gleichkäme Den Gewissenskonflikt, dem sich Harras nun ausgesetzt sieht, löst er auf seine Weise: er unterschreibt seinen Rücktritt, verhindert dadurch die Verhaftung des Freundes Oderbruch der ihm noch zur Flucht in die Schweiz rät.
Doch Harras beendet den Pakt als „Teufels General“ mit seinem letzten Flug: Mit einer defekten Maschine steuert er in den Kontrollturm des Flughafens. SS-Reichsführer Himmler ordnet ein „Staatsbegräbnis“ an.
Beeindruckende Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks von Carl Zuckmayer, welche allerdings mehrere Veränderungen zur Vorlage enthält: Die Liebelei mit Dorothea Geiss (Marianne Koch) wird ebenso filmwirksam eingebunden, wie die plastischen Szenen der Militär-Proleten.
Curd Jürgens gelingt eine Glanzleistung, die ihm den internationalen Durchbruch brachte.
LA DOLCE VITA
Italien 1960 - Regie: Federico Fellini
Anfang und Ende dieses einzigartigen Films haben eines gemeinsam: nur undeutliche Wortfetzten sind zu verstehen. Beginn: zwei Helikopter fliegen über das sommerliche Rom, an dem ersten schwebt eine Christusstatue welche für den Vatikan bestimmt ist, im zweiten sitzt der Boulevard-Journalist Marcello Rubini (Marcello Mastroianni), immer auf der Jagd nach Sensationsthemen. Sein Versuch, mit sonnenbadenden Frauen auf einem Hausdach Telefonnummern auszutauschen scheitert am Lärm des Hubschraubers.
Ende: an den Strand von Fregene wird im Morgengrauen ein seltsam-monsterhafter Fisch gespült, den eine Partygesellschaft nach durchzechter Nacht angewidert betrachtet. Die mädchenhafte Kellnerin Paola (Valeria Ciangottini) versucht, Marcello etwas zuzurufen, doch durch Meerrauschen und Windböen kann er nichts verstehen. So winkt er Paola einfach zu.
Zwischen diesem „wortlosen“ Anfang und Ende lässt Fellini das schillernde Leben von Rom`s mondäner Gesellschaft in all seinen Facetten aufleben. Marcellos Begegnung in einem Nachtclub mit der frustrierten Erbin Maddalena (bildschön-verführerisch: Anouk Aimée), die Ankunft am Flughafen Ciampino und Presskonferenz des schwedisch-amerikanischen Filmstars Sylvia (üppig-prickelnd: Anita Ekberg), die Marcello mit dem Besteigen der Petersdomkuppel und dem nächtlichen Bad im Trevi Brunnen(!) um den Verstand bringt, die Abendeinladung bei seinem Freund Steiner (ernst und sensibel: Alain Cuny), welche Marcello mit seiner (permanent eifersüchtigen) Frau Emma besucht, um Tage später vom Mord an Steiners Kindern und dessem eigenen Suizid zu erfahren, Marcellos Wiedersehen nach langen Jahren mit seinem Vater (Annibale Ninchi), zu dem er nie einen wirklichen Zugang gefunden hatte, die Eskapaden auf dem Schloss der adligen Sängerin Nico (Christa Päffgen), auf deren Party Marcello Maddalena wieder trifft, dann aber spontan eine Amerikanerin verführt.... Wieder Anlass zur Eifersucht für seine Frau Emma - heftige Auseinandersetzungen sind die Folge, die Ehe steht vor dem Aus; durch seinen Charme kann der unwiderstehliche „Cicisbeo“ aber Emma zurückgewinnen. Doch wie lange? Marcello träumt davon, dem flüchtigen Leben zu entkommen, dem sinnlosen Treiben zwischen Papparazzi und Glamourwelt „Addio“ zu sagen.
Aber wie? Gibt ihm der Wind am Meer die Antwort?
Was soll man sagen? Ein magisch-gut gelungener Film über Schein und Sein im Rom der 1950er Jahre. Berauschende Leinwand-Legende a la Italiana, mit der Fellini, Mastroianni und Anouk Aimeée den internationalen Durchbruch erlebten. Nino Rota`s Musik findet wie immer den richtigen Ton.
Unzählige Male habe ich diesen Film gesehen, die Faszination ist - immer wieder aufs Neue - geblieben!
Erhielt sowohl die Goldene Palme/Cannes 1960, als auch 1 Oscar.
8 ½
Italien/Frankreich 1963 - Regie: Federico Fellini
Nach dem Erfolgsrausch von „La dolce vita“ geriet Federico Fellini (1920-1993) in eine kreative Krise, die er schließlich zum Thema dieses surrealen Films machte. Der ursprüngliche Arbeitstitel, La bella confusione, weist auf die fehlende Struktur, Handlung und das tatsächlich „Verwirrende“ hin. Die raue Verlogenheit der Branche, Querelen mit Akteuren und Produzenten, sowie die ständigen Selbstzweifel, mit der Realität zurechtkommen zu können, zeigen den Regisseur Guido Anselmi (Marcello Mastroianni) am Rande seiner Energie, zumal ihm jedwede Inspiration verloren gegangen ist. Die Folge: Flucht vor den Anforderungen der Realität. Da die Produktion des neuen Films bereits auf Hochtouren läuft, dessen Fertigstellung er sich aber nicht mehr gewachsen sieht, flieht er in einen Kurort. Doch die Akteure (u.a. Claudia Cardinale, Anouk Aimée, Sandra Milo) und der Produzent (Guido Alberti) spüren ihn dort auf, bedrängen ihn.
Guido flieht in Tagträume - - Erinnerungen, Gegenwart und künftige Visionen gehen in einen permanent simultan laufenden Zustand über. Fellini zeigt hier sein ganzes filmtechnisches Können, indem er übereinander gelegte, nicht zu Ende geführte Dialoge oder Selbstgespräche ins Nichts laufen lässt, dazwischen aber inhaltlich dichtem, präsent geführtem Gedankenaustausch Raum gibt.
(Köstliche Szene: die Unterredung mit dem Kardinal im Dampfbad).
Auffällig auch die Virtuosität der Bildschnitte, welche vorwiegend in sehr rascher Folge gesetzt sind, und so einen mosaikhaften Eindruck hinterlassen. Unwirklich der Schluss: die Produktion des Films wird abgebrochen, alles abgebaut, und eine Clowngruppe zieht präludierend ihre Kreise, bis sie in die Ferne verschwindet….
Fellini hat sich mit 8 ½ einem filmischen Selbstportrait gestellt.
Die Musik von Nino Rota hat ihn dabei auch diesmal nicht im Stich gelassen.
DER PROZESS
Deutschland, Frankreich, England 1962 – Regie: Orson Welles
Die Romanverfilmung von Franz Kafkas „Der Prozess“ durch Orson Welles teilt das Los vieler Filmfassungen von Literaturvorlagen: das Echo von Publikum und Fachwelt ist nicht selten zwiespältig, oder sogar ablehnend.
Da Welles niemals bereit war herkömmliche Klischees zu bedienen, fiel das Ergebnis seiner Verfilmung erwartungsgemäß subjektiv aus, was letztlich aber zu einer intensiv gesteigerten Schnittmenge mit Kafkas Vorlage geführt hat.
Durch spektakuläre Kameraeinstellungen, die den „Kafkaesken Raum“ in immer neuen Varianten widerspiegeln, entstehen ebenso klaustrophobe wie surreale Aktionsflächen, auf denen es den virtuos-mutierenden Schauspieler/innen gelingt, die Wirklichkeit mehr und mehr entgleiten zu lassen.
Anthony Perkins, Jeanne Moreau, Romy Schneider und Orson Welles überbieten sich und lassen Dimensionen aufscheinen, die dem bizarren Geschehen beklemmende Unausweichlichkeit verleihen.
AVANTI, AVANTI!
USA, Italien 1972 - Regie: Billy Wilder
Der Amerikaner Wendell Armbruster (Jack Lemmon) kann nicht ahnen was ihm bevorsteht, als er dem zweifelhaften „Vergnügen“ nachkommt, seinen toten Vater aus Italien heimzuholen. Dass dieser bei einem Autounfall mit seiner heimlichen Geliebten ums Leben gekommen ist, macht das Vorhaben nicht weniger einfach und außerdem „pikant“. Spätestens als er in Ischia eintrifft, passen immer wenige Dinge zusammen:
Mit dem plötzlichen Verschwinden der beiden Verblichenen, der drall-aufdringlichen Pamela (Juliet Mills), dem in seiner sonderbaren Grandezza hofierenden Hoteldirektor Carlo Carlucci (Clive Revill) und der zwielichtig-skurrilen Familie Trotta, gerät Armbruster rasant in Verstrickungen und „Gepflogenheiten“ aus den ihn schließlich nur noch „Amore“ rettet: Pamela (Tochter der Geliebten seines Vaters) lässt ihm einfach keine Wahl, als in Romantik zu „schmelzen“…
Billy Wilder zündet ein Vergnügen mit Charme, gekrönt von herrlicher Optik.
Bella Italia in seiner ganzen Unbeschwertheit, Komik, sowie dem narkotisierenden „Duft des Südens.“
Federleichte Komödie, die einen bei jedem Wieder-Sehen vom Boden abheben lässt…
PANE E TULIPANI
Italien 2000 – Regie: Silvio Soldini
Da sie die Weiterfahrt des Reisebusses verpasst, bleibt Rosalba (Licia Magliette) allein an der Raststätte einer Autobahn zurück. Im Bus: ihre Familie und die Handtasche mit allem. Beide lässt sie entschwinden und folgt ihrer Sehnsucht: Venedig! Die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit führt zu dem Kellner Fernando (Bruno Ganz), der Rosalba sowohl seine Wohnung, als auch ihr Herz öffnet. In nobler Distanz gehalten, gibt seine zugewandte Höflichkeit den Raum frei für eine Zuneigung, von der beide erfasst werden ohne damit gerechnet zu haben. Unerwartet leicht und einfühlend beginnt ein wärmendes Miteinander, dass zärtlich, scheu, fein und liebevoll die Möglichkeit von Glück aufscheinen lässt. Dabei schimmert durch Fernandos romantisches Naturell zuweilen auch seine Traurigkeit, welche aber in ihrer Ehrlichkeit das gemeinsam erlebte Glück vertieft, statt trennt. Momento adorabile: La Danza dell‘ Amore!
Sensibler Höhenflug von Gefühlen. Sah man Bruno Ganz je persönlicher?
IL POSTINO
Italien 1994 – Regie: Michael Radford
Auf einer kleinen italienischen Insel lebt der weltbekannte Dichter Pablo Neruda (Philippe Noiret) im Exil. Unmengen an Briefen erreichen ihn dort täglich, deren Zustellung er dem schüchternen Fischer Mario Ruoppolo (Massimo Troisi) überträgt. Dessen Ambitionen reichen über das karge Alltagsleben der Insel hinaus: er möchte durch Dichten und Poesie das Herz seiner geheimen Liebe Beatrice Russo (Maria Grazia Cucinotta) gewinnen und für seine Ideale leben. Zwischen ihm und Neruda entfaltet sich ein Dialog über das Leben, die Macht der Sprache, die Vergänglichkeit und den Wert der Liebe. Verständnis, Bewunderung und Einsicht gehen mehr und mehr in eine Freundschaft über, die von einer inneren Weite getragen erscheint. An den einsamen Stränden der Insel überlässt sich Mario seinen Versuchen, dem Dichten auf die Spur zu kommen und „Metaphern“ zu begreifen. Kongenial, wie diese tastenden Stimmungen von der Musik des Films eingefangen werden – Luis Bacalov bekam dafür den Oscar. Es kommt zur Hochzeit zwischen Mario und Beatrice, der Trauzeuge Neruda verlässt bald darauf die Insel. Das tragische Ende von Mario, welcher bei einer Demonstration der Kommunisten ums Leben kommt, erfährt Pablo Neruda als er Jahre später die Insel wieder besucht. Der Junge, ihm zu Ehren „Pablito“ genannt, und Beatrice spielen ihm ein von Mario hinterlassenes Tonband vor:
Geräusche des Windes, des Meeres, und auch des kleinen Herzens von Pablito sind darauf zu hören. Damit wollte „Il Postino“ die Schönheit seiner kleinen Insel schildern. Ebenso hinterliess er ein Gedicht für Pablo Neruda, welches er nicht mehr vortragen konnte…
(Einen Tag nach Drehende erlitt Massimo Troisi (Mario) einen Herzinfarkt, an dem er verstarb. Den Film hat er nie gesehen)
Wie eine Freundschaft zur Entdeckung ungeahnter Möglichkeiten führen,
und den Weg zum Selbst freimachen kann. Drehorte: die Inseln Salina und Procida.
DAS NARRENSCHIFF USA 1965 - Regie: Stanley Kramer
Opulent besetzte Schiffsreise von Veracruz nach Bremerhaven, kurz vor der Machtübernahme der Nazis. Vivien Leigh, Simone Signoret, Jose´ Ferrer, Heinz Rühmann, Oskar Werner, Michael Dunn und der „Traum in blond“ Christiane Schmidtmer, geben sich die Klinke in die Hand. Schwankend wie der Passagierdampfer selbst, ist auch die Stimmung der Reisenden, welche in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit Revue passiert. Konflikte, Träume, Hoffnungen, Ängste, Flirts, Erinnerungen und Alltäglichkeiten gehen fliessend - Alkohol inbegriffen - ineinander über. Einem Mobile gleich, durch welches das Licht der unterschiedlichen Biographien und Befindlichkeiten fällt, entsteht unter den Passagieren eine zunehmend dichte Verknüpfung, die sowohl Einsamkeit, als auch euphorisch gestimmte Annäherungen widerspiegelt. Was dies alles mit den Zuschauern des Films zu tun hat? Das letzte Wort, direkt an sie gerichtet, bleibt dem bucklig-kleinwüchsigen Karl Glocken: „Nichts“.
Regisseur Stanley Kramer ist es gelungen, den Weltklasse Schauspielern ein Stück ihrer Identität zu entlocken. Simone Signoret (Komtesse) und vor allem Oskar Werner (Dr. Schumann) im freien Fall ihrer Emotionen.
Nachhaltig wirkender Film, der mit 2 Oscars ausgezeichnet wurde.
MENSCHEN IM HOTEL
Deutschland/Frankreich 1959 – Regie: Gottfried Reinhardt
Der Titel des Films bringt die Handlung bereits auf den Punkt. Das Berliner Grand Hotel bildet den opulenten Rahmen für Menschen aus aller Welt, Gäste auf Zeit an ein und demselben Ort. Unterschiedliche Lebenswege und Situationen kreuzen sich, Schicksale werden in Umrissen schlaglichthaft beleuchtet. Zwischen „Woher und Wohin“ bildet sich ein Raum offener Möglichkeiten, vertaner Chancen, nicht mehr änderbarer Irrtümer und Ungewissheit.
Begegnungen verwehen, kommen sich näher, entfernen sich wieder oder gehen in ein Miteinander über. Vor allem aber: man bleibt Gast.
Der Charme versprühende Hoteldieb Baron von Gaigern (O.W. Fischer), die lebensmüde Primaballerina Grusinskaja (Michèle Morgan), der pflichtbewusste Buchhalter Kringelein (Heinz Rühmann in seinem Element), der aufbrausend-eitle Industrielle Preysing (unübertrefflich: Gert Fröbe), welcher seine Sekretärin „Flämmchen“ (Sonja Ziemann) nicht nur zum Diktieren beschäftigen möchte… - sie bilden jenes Mosaik, welches durch seine Unterschiedlichkeit ein Ganzes wird.
Nach dem Roman von Vicky Baum ist dem Regisseur Gottfried Reinhardt (Sohn von Max Reinhardt) ein sehr stimmungsvoller Film gelungen, nicht zuletzt durch die dezent-swingende Musik von Hans-Martin Majewski.
DOKTOR SCHIWAGO
USA/England/Italien 1965 - Regie: David Lean
Vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges und der Oktoberrevolution 1917 gerät der junge Arzt Juri Schiwago in einen inneren Zwiespalt. Sein Herz und seine Gefühle pendeln zwischen zwei Frauen hin und her, er sieht dafür keine rationale Lösung und wird zunehmend von seiner Vergangenheit und den sich rasch verändernden politischen Umständen eingeholt.
Spektakulär ist an diesem Film alles! Mit 5 Oscars ausgezeichnet, wurde der Romanvorlage von Boris Pasternak trotz erheblicher Modifizierung ihr episches Gewicht belassen. Landschafts- und Innenaufnahmen haben Maßstäbe gesetzt, die Regie von David Lean hält auf hohem Niveau alle Fäden zusammen, und die Namen der Schauspieler sprechen für sich: Omar Sharif, Julie Christie, Geraldine Chaplin, Rod Steiger, Tom Courtenay, Alec Guinness. Kurz aber prägnant: Klaus Kinski als Gefangener Richtung Sibirien mit schnoddrig-wirren Floskeln.
Ganz wesentlichen Anteil an der Wirkung des Films hat die Musik von Maurice Jarre. Die Balaleika Klänge und Sehnsuchtsmelodien verbinden sich emotional mit der Optik, wie Hand und Handschuh. Speziell „Lara’s Theme“ wurde ein Welterfolg.
Kino (am besten auf Breitwand) der ganz grossen Gefühle.
DER SPION DER AUS DER KÄLTE KAM
England 1965 - Regie: Martin Ritt
Die Handlung dieses Agenten-Thrillers ist – wie könnte es anders sein? – verwickelt, eine Nacherzählung wäre verwirrend.
Es handelt sich um einen der packendsten Filme dieses Genres, der die Härte und Tristesse zur Zeit des „Kalten Krieges“ plastisch zur Geltung bringt. Das Filmende, der Fluchtversuch an der Berliner Mauer ist Spannung pur.
Richard Burton (Alec Leamas), Oskar Werner (Fiedler) und Peter van Eyck (Hans-Dieter Mundt) überbieten sich gegenseitig!
HOMO FABER
Frankreich/Deutschland/Griechenland 1991 - Regie: Volker Schlöndorff
Auf einem Geschäftsflug lernt der Ingenieur Walter Faber (Sam Sheppard) einen Herrn Hencke (Dieter Kirchlechner) kennen. Als es zu einer Notlandung in der Wüste kommt erfährt er von diesem, dass er der Bruder seines Studienfreundes Joachim ist, welcher im Dschungel von Guatemala eine Tabakplantage besitzt. Faber entschließt sich spontan, die Reise gemeinsam mit Hencke fortzusetzten als dieser ihm mitteilt, er sei auf dem Weg zu seinem Bruder.
Nach einer mühseligen Autofahrt durch den Urwald dann der Schock: Joachim hat sich mit einem Kabelbinder in seinem Büro erhängt.
Verstört kehrt Faber nach New York zurück, beendet die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und begibt sich auf eine einwöchige Schiffsreise nach Europa. An Bord lernt er ein junges Mädchen (Julie Delpy) kennen, in welches er sich verliebt. Sabeth (wie Faber sie nennt) ist auf dem Weg nach Athen, wo sie ihre Mutter besuchen möchte. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wird Faber von seiner Vergangenheit eingeholt als sich herausstellt, dass Sabeth`s Mutter seine ehemalige Studienkollegin Hanna ist. Eine Heirat mit ihr kam vor 21 Jahren nicht zustande, da es Differenzen über die gemeinsame Tochter gab.
Ein Ausflug ans Meer in der Nähe Athens endet für die Verliebten grausam.
Während Faber schwimmen geht, bleibt Sabeth am Strand zurück und wird unvermittelt von einer Schlange gebissen. Sie springt auf und stürzt – ihr Kopf schlägt auf einem Fels auf. In Panik bringt Faber Sabeth in ein Krankenhaus, der Schlangenbiss wird erfolgreich mit einem Serum behandelt. Doch Sabeth stirbt an den Folgen der Schädelbasisfraktur. In den Tagen des Krankenhausaufenthaltes von Sabeth wohnt Faber bei Hanna (Barbara Sukowa). Noch vor Sabeth`s Tod erfährt er von Hanna, dass er Sabeth`s Vater ist und sich mit seiner eigenen Tochter vereint hat.
Walter Faber wird vom Schmerz über die Endgültigkeit von Sabeth`s Tod überwältigt.
Subtil realisierte Verfilmung des Romans von Max Frisch, welche von der Kritik weitestgehend als wenig geglückt bewertet wurde.
DIE PHYSIKER
Deutschland 1964 - Regie: Fritz Umgelter
Im Mittelpunkt der Handlung stehen drei Physiker, die sich als Geisteskranke ausgeben. Der erste von ihnen (Kurt Erhardt) behauptet, Albert Einstein zu sein, der zweite (Gustav Knuth) hält sich angeblich für Isaac Newton. Der dritte, Johann Wilhelm Möbius, hat die sogenannte Weltformel entdeckt, die in den falschen Händen zur Vernichtung der gesamten Menschheit führen könnte. Mit seiner Behauptung, ihm erscheine König Salomo, will er sich selbst unglaubwürdig machen und so dem Missbrauch seiner revolutionären Entdeckung vorbeugen. Newton und Einstein hingegen sind in Wahrheit Agenten rivalisierender Geheimdienste und haben sich nur ins Irrenhaus einweisen lassen, um an die Erkenntnisse von Möbius zu gelangen, um diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Die drei Physiker ermorden nacheinander ihre Krankenschwestern, weil sie um ihre Geheimnisse fürchten. Als die Polizei (Siegfried Lowitz) zur Ermittlung der Todesfälle eintrifft, vernichtet Möbius seine Formel. Bei einem gemeinsamen Abendessen kann er seine beiden Kollegen davon überzeugen, ihr gefährliches Wissen zu verschweigen, um die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Doch der Pakt der Physiker kommt zu spät. Mathilde von Zahnd, die missgestaltete Besitzerin und Chefärztin des Irrenhauses, hat bereits sämtliche Aufzeichnungen von Möbius kopiert. Als die einzig wirklich Verrückte glaubt sie tatsächlich, im Auftrag König Salomos zu handeln, und will mit der Formel die Weltherrschaft erringen. Die Physiker aber, durch die von ihr eingefädelten Morde öffentlich als Verrückte eingestuft, bleiben im Irrenhaus eingesperrt und haben keine Möglichkeit mehr, den Wahnsinn zu verhindern.
(Inhalt zitiert nach Wikipedia)
Mit den „Physikern“ landete Dürrenmatt einen spektakulären Theatererfolg. Nach der Uraufführung am Schauspielhaus Zürich (21. Februar 1962) wurde es zum meistgespielten Theaterstück im deutschsprachigen Raum nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Aktualität der „Physiker“ hat nichts von seiner Brisanz verloren. Das beklemmend-dichte Fernsehspiel von 1964 bietet hochklassige Schauspieler auf, allen voran Therese Giehse (der das Stück gewidmet wurde) als Fräulein Dr. Mathilde von Zahnd. Singulär, wie ihr die Darstellung der irrwitzig-perfiden Ärztin gelingt.
LIEBESGRÜSSE AUS MOSKAU
England 1963 - Regie: Terence Young
Die Frage, welcher der James Bond Filme die Rangliste anführt, dürfte eine individuelle Angelegenheit bleiben; ähnlich der Auswahl auf einer verlockenden Speisekarte, entscheidet letztlich der persönliche Geschmack.
Der meine favorisiert „Liebesgrüsse aus Moskau“. Denn der zweite Bond-Film fängt die Atmosphäre eines Agenten-Thrillers „on the rocks“ noch sehr authentisch ein: spannende Handlung von Anfang bis Ende, keine ausufernden Materialschlachten oder Verfolgungsjagden, faszinierende Schauplätze (Venedig, Istanbul, Madrid, Schottland), die ersten, herrlich einfachen „technischen“ Utensilien, ein unwiderstehlicher Sean Connery (ist für mich der überzeugendste Bond geblieben), an seiner Seite „Tatjana Romanova“ (Daniela Bianchi), deren Namen und Aussehen kein Widerspruch sind, die giftig-harte KGB Natter Rosa Klebb (gefährlich gut: Lotte Lenya), die Eleganz und Schlagfertigkeit, die Bond so leicht fällt - „From Russia with love, I fly to you“.
Nicht zu vergessen: die Musik von John Barry.
Sean Connery selbst war der Meinung, dass es sich um einen der besten Bondfilme der gesamten Reihe handelt.
DER PATE
USA 1972 - Regie: Francis Ford Coppola
Anlässlich der Hochzeit seiner Tochter Connie (Talia Shire) richtet der mächtige Mafiaboss Don Vito Corleone (phänomenal: Marlon Brando) ein Fest mit mehreren Hundert Gästen aus. Während diese sich Vergnügen, machen Mitglieder der „Familie“ Vito Corleone ihre Aufwartung, verbunden mit Bitten um Gefälligkeiten. Dabei geht es um die Wahrung der „Ehre“, Erpressung, Rache, und die Ausweitung des Drogen- und Heroinhandels in New York. Speziell diesem Geschäft aber steht Corleone ablehnend gegenüber; wenig später wird zweimal ein Mordanschlag auf ihn verübt wird den er überlebt, allerdings schwerverletzt. Die Rache der Corleones folgt unmittelbar, aber Vitos Tage sind gezählt. Machtverlust, Gebrechlichkeit und sein plötzlicher Tod im Tomatenbeet haben zur Folge, dass die „Familie“ nun von seinem Sohn Michael (Meisterleistung: Al Pacino) in eine herausfordernde Zukunft geführt wird.
Dreiteiliges Film-Epos nach dem Roman von Mario Puzo über die Mafia-Familie Corleone. Künstlerisch und kommerziell einer der spektakulärsten Erfolge der Filmgeschichte. Die Realisierung gestaltete sich außerordentlich schwierig, da zwischen Paramount (dem produzierenden Studio) und dem Regisseur, dem damals 31jährigen, wenig erfahrenen Francis Ford Coppola, in wesentlichen Fragen keine Einigkeit bestand. Sowohl die Besetzung von Vito Corleone mit Maron Brando, als auch die des Paten Michael Corleone mit Al Pacino, setzte Coppola gegen den Widerstand von Paramount durch. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen und hat ihm Recht gegeben.
Kongenial Nino Rota`s Musik, die in ihrer Bittersüsse die Bildwirkungen enorm verdichtet, und eine zeitlose Dimension hinterlässt.
Das Budget betrug 6 Millionen Dollar, der Film wurde mit 3 Oscars ausgezeichnet.
DER CLAN DER SIZILIANER
Frankreich 1969 - Henri Verneuil
Mafia-Boss Vittorio Manales (Jean Gabin) möchte Paris den Rücken kehren und mit seiner Familie zurück nach Sizilien. Außerdem will er dem zum Tod verurteilten Killer Roger Sartet (Alain Delon) zur Flucht verhelfen, welche auf spektakuläre Weise auch gelingt. Doch der beinharte Kommissar Le Goff (Lino Ventura) hat die Fährte aufgenommen - ein Wettlauf gegen Skrupellosigkeit und raffinierte Täuschungsmanöver beginnt. Eine Affäre von Sartet mit der Tochter von Manales wird von diesem tödlich mit dem Revolver beantwortet, bevor er in seinem eigenen Haus von Le Roff verhaftet wird.
Drei Schauspieler der Spitzenklasse sorgen für Spannung erster Garnitur.
Kamera: Henri Decae
DER MAULWURF
Frankreich/Schweiz 1982 - Regie: Yves Boisset
Der ehemalige Spion Sébastien Grenier (Sonderklasse: Lino Ventura) wird mit einer Reihe von Morden konfrontiert, welche sich unvermittelt und ohne eigentliches Motiv ereignen. Dabei werden auch einstige Agenten eines französischen Spionageringes zu Opfern, was Grenier wiederum als persönliche Bedrohung wahrnimmt. Ein zwielichtiger „Schweizer Bundesrat,“ Jean-Paul Chance (Michel Piccoli), nimmt mit Grenier Kontakt auf und lenkt den Verdacht auf Greniers Frau: sie habe angeblich Kontakte zu linksradikalen Extremisten. Grenier merkt, dass er getäuscht wird, zumal sich sowohl das Büro als auch die Telefonnummer von Chance als falsch herausstellen. Nach einem weiteren Terror-Attentat auf einen Bundesrat in Zürich wird Grenier klar, dass Chance mit den Tätern oder auch einem anderen Geheimdienst zusammenarbeitet. Denn als die zunächst unter Verdacht gestellte Frau von Grenier vorläufig festgenommen wird, taucht ausgerechnet Chance bei der Polizei auf, um deren Freilassung zu erwirken. Grenier tappt weiterhin im Dunkeln, mit wem er es eigentlich zu tun hat. Die Flucht mit seiner Frau aus der Schweiz misslingt, da diese zunächst entführt, und dann ermordet aufgefunden wird. Grenier erschiesst bei einem nächtlichen Treffen in der Züricher Polybahn Chance, da er diesen für den Mörder seiner Frau hält; doch dies stellt sich als falsch heraus. Grenier spürt, dass ihn sein eigener Geheimdienst fallen lässt, ein Spiel hinter den Kulissen legt die Vermutung nahe, dass ein „Maulwurf“ enttarnt werden soll. Als er - etwas abseits - an der Beerdigung seiner Frau teilnimmt, wird er aus dem Hinterhalt - von wem? - erschossen, seine Leiche vergraben. Jahre später wird diese von Jägern gefunden.
Bis zum Ende bleibt unklar, mit welchen Gegenspielern es Grenier eigentlich zu tun hat. Ventura und Piccoli bleiben sich nichts schuldig.
Gedreht wurde in Zürich und München, die Musik von Ennio Morricone hält, was sie verspricht.
SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD
Italien/USA 1968 - Regie: Sergio Leone
Ein verlassener Bahnhof, irgendwo in der amerikanischen Halbwüste.
Zu hören sind: das konstante Quietschen eines Windrads, das Summen einer Fliege, rauschende Windböen, die den Sand aufwirbeln.
Zu sehen sind: drei Revolvermänner, die kurzerhand den Bahnhof in Beschlag genommen haben und in der Mittagshitze die Ankunft eines Zuges erwarten. Dieser trifft schnaubend nach einer Weile ein, fährt nach kurzem Halt weiter und gibt den Blick auf den einzig Reisenden frei, der ausgestiegen ist. Auf seiner Mundharmonika lässt er eine schwermütig-klagende Melodie vernehmen.
Die drei Revolvermänner, schon im Abgehen begriffen, stoppen schlagartig als ihnen der Unbekannte zuruft: „Wo ist Frank?“ – denn diesen hatte er statt der drei Komplizen eigentlich erwartet. Er bekommt zur Antwort. „Frank ist nicht hier“. Nach dem Zuruf, sie hätten zwei Pferde zuviel mitgebracht, erschießt „Mundharmonika“ (outstanding: Charles Bronson) blitzartig Franks windige Kumpanen, bevor diese ihn erledigt hätten.
Bis dahin – 13 Minuten lang – war der Film nur von Geräuschen untermalt. Dann erst setzt überwältigend die Musik von Ennio Morricone ein, welche zu seinen genialsten Leistungen gehört, und den Erfolg dieses Ausnahme-Westerns wesentlich mitbestimmt. Die vier Hauptprotagonisten werden durch eine jeweils nur ihnen zugehörige Melodie charakterisiert, welche in Leitmotivtechnik bei ihrem Erscheinen erklingt. Besonders die textlosen Vocals für Jill (Claudia Cardinale) und das „Lied vom Tod“ bescheren dem Film singuläre Stimmungen und haben Kult-Status erreicht.
Der Bau einer Eisenbahnlinie ist nur der Rahmen der ausgedehnten Handlung, welche auf vier Personen fokussiert ist, die durch ein Geflecht von Rache, Gier und Mord verbunden sind. Mit Charles Bronson, Henry Fonda (als eiskalt-zynischer Killer „Frank“), Claudia Cardinale und Jason Robards (Cheyenne) sind vier Weltklasse Schauspieler aufgeboten die sich nichts schuldig bleiben. Speziell (der bis dahin relativ unbekannte) Charles Bronson, sowie Henry Fonda (in seiner ersten „bösen“ Rolle) liefern Momente für die Ewigkeit: das Duell der beiden Giganten ist schlicht atemberaubend.
Stark, wie der Beginn des Films, ist auch das Ende - - „Mundharmonika“ geht seiner Wege und verschwindet mit dem Satz: „Irgend jemand wartet immer“.
Sergio Leone dreht mit diesem Meisterwerk das ganz große Rad!
ZWEI GLORREICHE HALUNKEN
(Il buono, il brutto, il cattivo)
Italien/Spanien/Deutschland 1966 - Regie: Sergio Leone
Aus drei mach zwei: warum der italienische Originaltitel in der Übersetzung auf zwei reduziert wurde bleibt ein Rätsel…denn „Zwei glorreiche Halunken“ sind eigentlich drei. Rauer, spannungsgeladener Italowestern, der unter die Haut geht, zumal die drei „Rauhbeine“ nicht zum Spaß agieren. Der Gute (Clint Eastwood) und der Hässliche (Eli Wallach) jagen gemeinsam einer Geldkassette hinterher, werden dabei aber von dem skrupellosen Kopfgeldjäger Sentenza (Lee Van Cleef) ausgebremst. Doch der Inhalt von 200.000.- Dollar lässt die drei – natürlich nur wenn es sein muss – gemeinsame Sache machen, um an den Zaster zu kommen. Da aber keiner von ihnen die Beute teilen will, kommt es am Ende zum Showdown auf einem Friedhof, der an Hochspannung beispiellos geblieben ist.
Letzter Teil von Leones „Dollar-Trilogie“, zu dem ihm sein Schulfreund Ennio Morricone auch diesmal eine Musik von Ausnahmerang lieferte, die als eine der originellsten und eindrücklichsten in die Filmgeschichte eingegangen ist.
Er verwendet das Heulen eines Kojoten als Hauptthema, mexikanisch-galoppierende Rhythmen, Schüsse, Pfeifen und Jodeln, außerdem charakterisiert Morricone den „Blonden“ mit einer Flöte, den „Hässlichen“ mit Gesang, und Sentenza mit einer Okarina (Gefäßflöte) und lässt zum legendären Ende des Films das Lied L`estasi dell´oro („Ekstase des Goldes“) von einer Trompete spielen, die kein Erbarmen kennt.
WENN KATELBACH KOMMT
England 1966 - Regie: Roman Polanski
Ein schwarzer Punkt am Horizont, der sich in Zeitlupentempo nähert und schließlich ein Auto erkennen lässt – darin die beiden verletzten Gangster Richard (Lionel Stander) und Albert (Jack Mac Gowran). Auf ihrer Flucht, und um sich vor der steigenden Flut zu retten, fallen sie überraschend in der Burg des Paares George (Donald Pleasence) und Teresa (Francoise Dorléac) ein.
Wenig später verstirbt Richard, der Kumpane Albert bleibt sich selbst überlassen.
Zunehmend grob und aggressiv behandelt er seine „Gastgeber“, übernimmt das Kommando über deren Tagesablauf und versucht immer wieder aufs Neue, telefonisch seinen „Boss“ Katelbach zu erreichen - jedesmal ergebnislos.
Die klaustrophobe Situation verschärft sich zunehmend, schlägt von Sorglosigkeit ins Bedrohliche um. Als Gäste von George und Teresa auftauchen, entspannt sich die Lage kurzfristig, wenngleich diese äußerst verwundert über den „neuen Butler“ (Teresas Notlüge) sind, der ohne jede Manieren agiert…
Katelbach, der weder erreichbar ist noch erscheint (wie von Albert ständig erhofft) wird zum Phantom, das ständige Warten lässt den Alltag auf der Burg erstarren. George gleitet zunehmend in schizophrene Anwandlungen ab, die für Teresa nicht mehr nachvollziehbar sind und zur Folge haben, dass sie George verlässt. In einem Anfall von Lachen und Verzweiflung „inszeniert“ George das Ende, indem er den Gangster Albert erschießt und sein eigenes Auto anzündet.
Skuril-satirisches Psychogramm mit makaberen Anklängen, die Absurdität streifend. Polanskis zweiter Spielfilm zeigt bereits unverkennbar seine Handschrift. Donald Pleasence sorgt für Gänsehaut, die tragisch-früh verstorbene Francoise Dorléac für Esprit. 1966 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet.
TANZ DER VAMPIRE
England 1967 - Regie: Roman Polanski
Der Fledermausforscher Professor Abronsius (Jack MacGowran) reist mit seinem Schüler Alfred (Roman Polanski) in die Südkarpaten, da er dem Vampirismus auf die Spur kommen, und diesen bekämpfen möchte. Erste Station ist ein zwielichtiger Gasthof, in dem nicht nur die in rauen Mengen dekorierten Knoblauchketten merkwürdig sind…Schüler Alfred traut seinen Augen nicht, als er Sarah (Sharon Tate), die bildhübsche Tochter des Wirts, in der Wanne des eigenen Badezimmers antrifft und magnetisch von ihren Reizen angezogen wird. Als Sarah kurz darauf das erste Vampiropfer des Grafen von Krolock (Ferdy Mayne) persönlich wird ist dem Professor klar, dass man sich in nächster Nähe des Vampir-Sitzes befinden müsse. Dieser, in Form eines eingeschneiten Schlosses, wird auch sehr schnell von Abronsius und Alfred entdeckt; Graf von Krolock empfängt die beiden „Gäste“ uns lässt ihnen Zimmer zur Nachtruhe zuweisen. In köstlich-gruseliger Weise nehmen die Turbulenzen nun ihren Lauf, bis es schließlich aus Anlass eines Schloss-Balles zum „Tanz der Vampire“ - inclusive aller Ahnen und Opfer der letzten Jahrhunderte - kommt.
Während Abronsius lediglich an seinen Forschungsergebnissen interessiert ist, hat Alfred nur eines im Sinn: er möchte Sarah (mittlerweile selbst zur Vampirin mutiert) aus den Fängen der Vampire befreien, was in einer abenteuerlichen Flucht im Schlitten auch gelingt. Abronsius auf dem Kutschbock, Alfred und Sarah in zärtlicher Umarmung hinter sich, kann nicht ahnen was hinter seinem Rücken geschieht: aus Sarahs verführerischen Lippen wachsen unvermittelt zwei Vampirzähne heraus, mit welchen sie den selig-verliebten Alfred als neues „Mitglied“ begrüßt. Während der Schlitten weiter durch die winterliche Vollmondnacht gleitet, beschliesst eine Stimme aus dem Off den Film: “In jener Nacht wusste Professor Abronsius noch nicht, dass er das Böse, das er für immer zu vernichten hoffte, mit sich schleppte. Mit seiner Hilfe konnte es sich endlich über die ganze Welt ausbreiten“.
Polanski - zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 33 Jahre alt - brilliert als Regisseur, Drehbuchautor und Darsteller in Personalunion. Perfekt und amüsant inszeniertes „Grusical“. Zwei Jahre nach Erscheinen des Films wurde Polanskis Ehefrau Sharon Tate auf grauenhafte Weise ermordet. Man kann nur ahnen, welchen Verlust er hinnehmen musste. Die Außenaufnahmen wurden weitgehend in den Südtiroler Dolomiten gedreht.
WITWER MIT 5 TÖCHTERN
Deutschland 1957 - Regie: Erich Engels
Witwer Friedrich Scherzer (Heinz Erhardt) ist mit seinen 5 Töchtern vor allem eines: überfordert! Seine Tätigkeit als Schlossverwalter nimmt ihn gehörig in Anspruch, und als von jetzt auf gleich die Haushälterin kündigt, nehmen die Turbulenzen im Haus Scherzer Fahrt auf. Als rettende Hand bietet sich die Nachbarin, Frau Hansen (Lotte Rausch), an, die aber nicht bei allen Töchtern Gegenliebe findet. Als dann missmutige Anwohner auch noch das Jugendamt auf Scherzer hetzen, und eine Party der Töchter mit Freunden über alle Stränge schlägt, stellen sich dem Witwer die Haare auf. Alles kommt aber zu einem guten Ende, als die älteste Tochter dem Herrn Papa nahelegt, es wäre doch wieder an der Zeit für eine „Frau im Haus“. Er könne doch mal Frau Hansen auf ihrem geplanten Urlaub nach Westerland begleiten. Man kann sich vorstellen, wie der Urlaub enden wird….
Wem nach Lachen und gemütvoll-heiler Welt zumute ist, der kommt hier auf seine Kosten! Heinz Erhardt als Jux-Kanone erster Güte ist umgeben von einem Reigen fähiger Schauspieler/innen: Helmut Lohner, Christine Kaufmann, Vera Tschechowa, Peter Vogel, Susanne Cramer, Chris Howland. Nicht zu vergessen das zuckersüße „Julchen“ (Elke Aberle) und Coco Schumann als Musiker im Schloss. Komödienherz, was willst Du mehr?
TOTE SCHLAFEN FEST
USA 1946 - Regie: Howard Hawks
„The big sleep“ von Raymond Chandler steigert sich durch die höchst gelungene Verfilmung zu einem optischen High-Light mit Kult-Status.
Privatdetektiv Philip Marlowe (Humphrey Bogart) nimmt einen Erpressungsfall in Los Angeles an und gerät dabei in einen verwickelten Sumpf, der ihn schließlich selbst in Bedrängnis bringt. Ganoven aller Coleurs, Nachtclub-Pflanzen, geldige Snobs, und die undurchsichtigen Schwestern Vivien (Lauran Bacall) und Carmen Sternwood (Martha Vickers) halten ihn auf Trab, bis sich das Geschehen zu einem unerwarteten Ende zuspitzt.
Spannender Film noir! Bogart mit hart-geschärften Punktlandungen; zwischen ihm und Lauran Bacall (gemeinsame Heirat 1945) fliegen die Funken.
Die Blue Ray Veröffentlichung enthält zwei Versionen des Films (1945/1946)
BEI ANRUF MORD
USA 1954 - Regie: Alfred Hitchcock
Als er zufällig den Seitensprung seiner Frau Margot (Grace Kelly) entdeckt, ersinnt der ehemalige Tennisprofi Tony Wendice (Ray Milland) den „perfekten Mord“ an ihr. Nicht zuletzt, um an das Vermögen seiner Frau zu kommen. Er bringt seinen ehemaligen Studienkollegen Charles Swann dazu, den Mord für ihn auszuführen, während er selbst zur erdachten Tatzeit einen Clubbesuch mit einem Freund arrangiert. Wie er meint, ein sicheres Alibi.
Doch es kommt anders, und das in völlig unerwarteter Weise. Tony Wendice kommt und bringt sich immer mehr in eigene Bedrängnis, zumal es dem scharfsinnigen Kriminalinspektor Hubbard (John Williams) gelingt, dessen Mordplan - sozusagen „rückwärts“ - zu durchschauen, und Wendice mit einer List zu überführen.
Ein beabsichtigter Mord misslingt trotz sorgfältigster Logistik, der Mörder wird selbst zum Opfer. Hitchcock landet mit dieser genial umgesetzten Wendung des Geschehens einen Coup Raffinement.
DER UNSICHTBARE DRITTE
USA 1959 - Regie: Alfred Hitchcock
Eine fingierte Verwechslung wird für den ahnungslosen New Yorker Werbefachmann Roger Thornhill (Cary Grant) zum Albtraum. Der Entführung und Erpressung durch einen undurchsichtigen Spionagering entzieht sich Thornhill durch Flucht, welche ihn aber in immer neue Verwicklungen verstrickt und quer durch die USA treibt. Dabei versucht er ständig die Verwechslung aufzuklären, kommt aber immer aussichtsloser in Situationen, welche sich zunehmend surreal gestalten. Hitchcock reiht die einzelnen Flucht-Episoden aneinander, ohne sie wirklich zu verbinden, was letztlich die Spannung erhöht und den Verlauf immer unwirklicher werden lässt. Durch geschicktes Timing gelingt ihm die Imagination, den Zuschauer/in zunehmend Teil des Geschehens werden zu lassen. Legendäre Wirkung erzielten der „Messerwurf-Mord“ im UNO Hauptgebäude (in dem Hitchcock keine Drehgenehmigung erhielt), die sogenannte „Maisfeld-Szene“, sowie die Fluchtszene von Eve (Eva Marie Saint) und Thornhill über die steinernen Präsidentenköpfe des Monuments von Mont Rushmore.
Sicher ein Höhepunkt in der Filmografie Hitchcock`s, der für spätere Regisseure Vorbild wurde und zahlreiche Adaptionen von Schlüsselszenen zur Folge hatte. Trotz ständiger Hochspannung, humorvoll und mit leichter Hand inszeniert.
DAS INDISCHE TUCH
Deutschland 1963 - Regie: Alfred Vohrer
Auf Schloss „Marks Priory“ finden sich die neun Erben von Lord Lebanon ein,
da dieser während eines Telefongesprächs heimtückisch mit einem indischen Tuch erdrosselt wurde. Bei der Testamentseröffnung erfährt die zerstrittene Verwandtschaft den „vorletzten Willen“ des Lords: dieser bestimmt sie dazu, die kommenden sechs Tage und Nächte auf dem Schloss zu verbleiben, erst dann wird ihnen die jeweilige Erbverteilung mitgeteilt. Sollte einer der Erben den Ort vorzeitig verlassen verfällt dessen Anspruch und wird unter den übrigen aufgeteilt. Wenig begeistert von dieser Anordnung bezieht die Gesellschaft ihre Zimmer; kurz darauf wird der erste Erbe tot aufgefunden – erdrosselt mit einem indischen Tuch. Die Polizei kann nicht verständigt werden, da ein heftiges Unwetter die Strom- und Telefonverbindung unterbrochen hat. Rechtsanwalt Tanner (Heinz Drache) übernimmt intern die Ermittlung, doch die Mordserie setzt sich nach der immer gleichen Methode fort: einer nach dem andern wird mit einem indischen Tuch ins Jenseits befördert.
Nur noch Tanner, Isla (Conny Collins), der Sohn des Lords (Hans Clarin) sowie die strenge Lady Lebanon (umwerfend gut: Elisabeth Flickenschildt) bleiben übrig. Da kommt der Lady ein Verdacht, welcher sich als richtig erweist…
Mit der überraschenden Erkenntnis, dem Täter auf die Spur gekommen zu sein, wird sie dennoch sein letztes Opfer.
Aus der Flut der unterschiedlich gelungenen Edgar Wallace Verfilmungen setzt sich dieser Film deutlich ab. Das stimmungsvolle Ambiente und die köstlich-prägnant agierenden Schauspieler/innen bieten wohlige Spannung bis zum Schluss. Der kühl-smarte Heinz Drache, Hans Clarin (grossartig!), Siegfried Schürenberg, Giesela Uhlen, Klaus Kinski und Eddie Arent werden von Regisseur Alfred Vohrer („Mister Krimi“) zu Bestform animiert.
DER TOD IN VENEDIG
Italien 1971 - Regie: Luchino Visconti
„In Tod in Venedig verarbeitete Visconti Erfahrungen der Vergänglichkeit und des Alterns, des Verfalls und des nahenden Todes und knüpfte an ein Daseinsthema an, das er bereits in den Filmen Der Fremde und Der Leopard behandelt hatte. Das melancholische, von autobiographischen Elementen durchzogene Künstlerportrait unterscheidet sich von den präludierenden Vorgängern, indem es den körperlichen Verfall des Protagonisten ins Zentrum rückt und den lauernden Tod mit Sinnbildern der Vorahnung andeutet. Dabei verbindet er Themen wie Dekadenz und Künstlerproblematik, platonische Liebe und Elemente der Philosophie Arthur Schopenhauers sowie Friedrich Nietzsches, die sich im Werk Thomas Manns finden, und zeigt den Bewusstseinsstrom Aschenbachs mit Rückblenden“ (zitiert nach Wikipedia).
Obwohl Visconti weitgehend der Novelle von Thomas Mann folgt, hat er nicht unerhebliche Abweichungen vorgenommen. So wird im Film aus dem Schriftsteller, der gescheiterte und kränkelnde Komponist Gustav von Aschenbach. Der Choleraausbruch in Venedig wird wesentlich früher als im Original thematisiert, und Aschenbachs sehnsüchtige Anwandlungen gegenüber dem Knaben Tadzio (Björn Andrésen) intensiv, statt zunächst beiläufig (wie in der Vorlage) gestaltet. Auch die Prostituierte Esmeralda (Carole André) und der aufbrausende Schüler Alfried (Mark Burn) sind bei Thomas Mann nicht zu finden. Aschenbach (kongenial: Dirk Bogarde), die Musik Mahlers und Venedig selbst, gleiten ineinander über wie in einem Dreiklang. Die Wirkung ist stark.
„Sterben in Schönheit“ - so könnte eine Kurzfassung der Verfilmung lauten, die bereits vor der Veröffentlichung heftige Kontroversen auslöste. Diese zielten besonders auf die Verwendung des Adagiettos aus Mahler`s 5. Sinfonie als „Filmmusik“. Auch wurden die von Visconti eingesetzten Rückblenden und weiteren Veränderungen an der Vorlage von Thomas Mann angegriffen. Federführend waren Mitglieder der Familie Mann, sowie eine Reihe prominenter Musiker und der Präsident der Gustav Mahler Gesellschaft. Den enormen Erfolg des Films konnten die Einwände nicht aufhalten.
LUDWIG II.
Italien, Frankreich, Deutschland 1973 - Regie: Luchino Visconti
Einfühlsame Verfilmung von Leben und Niedergang des Bayernkönigs Ludwig II. Visconti ist die Verehrung des kunstsinnigen Königs anzumerken, da es ihm gelingt, eine sensible Charakterisierung des Menschen Ludwig abseits seines Königsamtes nachzuzeichnen.
Ästhetisch und in optisch prachtvollem Ambiente, wird die Zerrissenheit und Einsamkeit des Königs verdeutlicht. Sein weitsichtiges Engagement für Richard Wagner, die Errichtung der Prunkschlösser (bis heute eine der stabilsten Einnahmequellen Bayerns), seine Menschenscheu und sein Abgleiten an der Realität, werden in dieser Würdigung des Bayernkönigs auf hohem Niveau präsent.
Helmut Berger (in seiner vielleicht besten Filmrolle) gelingt eine Meisterleistung, die seinen Nimbus als „schönster Mann“ bestärkt hat. Packend, wie er die Veränderung der Psyche und das Ende des Königs in Umnachtung realisieren konnte.
Romy Schneider hat ihre Mitwirkung an dem Film davon abhängig gemacht, nicht in das süssliche „Sissi-Klischee“ ihrer 50er Jahre Verfilmung gedrängt zu werden. Dies ist ihr in wunderbarer Weise gelungen, da sie den feinen Humor und die immer wieder erwähnte Zynik der Kaiserin unnachahmlich funkeln lässt.
Gedreht wurde in sämtlichen Königsschlössern, der Roseninsel, dem Cuvilliés Theater, der Kaiservilla in Bad Ischl und am Starnberger See. Die Innenaufnahmen fanden in Cinecittà statt.
Von diesem Film existieren mehrere, teils erheblich gekürzte bzw. „verstümmelte“ Fassungen. Eine aktuell digitalisierte Blue Ray Veröffentlichung bietet in hoher Qualität das Original
ALLMEN UND DAS GEHEIMNIS DER LIBELLEN
Deutschland 2017 - Regie: Thomas Berger
Johann Friedrich von Allmen (Heino Ferch) ist weder Privatdetektiv noch Kriminalbeamter. Dafür aber ein ausgesprochener Bonviant, der Luxus als Selbstverständlichkeit ansieht und von seinem Butler Carlos (Samuel Finzi) nicht gerne daran erinnert wird, dass er sich permanent am finanziellen Abgrund befindet.
Da Allmens Geldsorgen bedrohliche Formen annehmen, kommt ihm die Affäre zu der Millionärstochter Jojo Hirt (Andrea Osvárt) gerade recht. Der Zweck heiligt die Mittel, daher hat er keinerlei Skrupel aus der Kunstsammlung von Jojos Vater (Hanns Zischler) die legendären „Libellen“-Vasen zu entwenden. Jedoch hat er weder mit deren „Geheimnis“ noch perfiden Widersachern gerechnet….
Erfrischend humorvoll und in optisch noblem Ambiente residiert, machen diese niveauvollen „Divertimenti“ einfach Laune. Da auch Spannung und amüsant-glasklare Dialoge nicht zu kurz kommen, sind dem Vergnügen keine Grenzen gesetzt.
Bisher erschienen drei weitere Folgen:
Das Geheimnis des rosa Diamanten
Das Geheimnis der Dahlien
Das Geheimnis der Erotik
DAS LEBEN DER ANDEREN
Deutschland 2006 - Regie: Florian von Henckel Donnersmarck
Herausragend beeindruckender Film über den Staatssicherheit-Apparat der DDR und die Kulturszene Ost Berlins. Auch wird die Geschichte der DDR in ernsthafter und sorgfältig recherchierter Weise verdeutlicht; durch authentisch gewählte Schauplätze und Original-Utensilien wird eine durchwegs beklemmende Atmosphäre erreicht. Ulrich Mühe (eindrucksvoll), Martina Gedeck, Sebastian Koch, Ulrich Tukur und Thomas Thieme bringen ihr Können zur Geltung, indem sie kompromisslos die Härte des DDR Alltags verdeutlichen.
Trotz kontroverser Beurteilungen wurde der Film mit zahlreichen Auszeichnungen prämiert, darunter auch dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Zu Recht.
WEISSENSEE (Serie)
Deutschland 2010 - 2018 – Regie: Friedemann Fromm
Am Beispiel der unterschiedlichen Familien Hausmann und Kupfer, werden die Verhältnisse in der DDR zwischen 1980 und 1990 sehr realistisch und überzeugend dargestellt. Dank erstklassiger Schauspieler (u.a. Uwe Kockisch, Florian Lukas, Stephan Grossmann, Ruth Reinecke, Hannah Herzsprung, Jonas Hämmerle, Katrin Sass, Jörg Hartmann, Anna Loos, Ferdinand Lehmann) gelingt einer der wesentlichsten Beiträge zum Thema geteiltes Deutschland und Wiedervereinigung. Bewundernswert gelungen: Drehbuch und Regie
COMMISSARIO BRUNETTI
Deutschland 2000-2019 - Regie: Christian von Castelberg /Sigi Rothemund
26teilige Serie, die auf den erfolgreichen Romanen von Donna Leon basiert.
Joachim Krol (Folge 1-4). Uwe Kockisch (exzellent!), der kauzig-eitle Vice Questore Patta (Michael Degen, begeisternd komisch), Karl Fischer (phlegmatisch und schlau) und „Signorina Elettra“ (der charmante Augenaufschlag in Person: Annett Renneberg) gehen den teils fiktiven, teils realen Fällen in origineller Weise nach. Trotz der zuweilen dusteren Themen, herben Erkenntnissen und der damit verbundenen Abscheu bezüglich perfider Machenschaften, hält der gesalzene Humor die Ermittler bei Laune. Vor allem aber: die Augen dürfen baden! Hauptdarsteller Venedig ist in prachtvollen Aufnahmen verewigt. Dafür nimmt man selbst Morde in Kauf…
Fernsüchtig machende Aufnahmen der Serenissima.
DAS DSCHUNGELBUCH
USA 1967 - Regie: Wolfgang Reitherman
Die Geschichte: das Findelkind Mogli wächst im Dschungel bei einer Wolfsfamilie auf und trifft dort im Lauf der Jahre auf freundliche, faszinierende, eigenartige, aber auch weniger freundliche und gefährliche Tiere. Bis er dann am Ende des Films auf ein „menschliches Wesen“ trifft, und das ist - wen wundert es? - ein bildhübsches Mädchen.
Von was soll man mehr schwärmen?
Die atemberaubende technische Meisterleitung dieses Zeichentrickfilms, die herrliche Story, der Mix zwischen Spannung und lässigem Humor („Probier`s mal mit Gemütlichkeit“), die durchwegs begeisternden Einfälle, über die „Herrschaften“ Tiere einfach nur staunen zu können: ob Balu der Bär, die Riesenschlange Kaa, der Panther Baghira, die Geierfamilie Buzzy, Dizzy, Ziggy und Flaps, der grausig anschleichende Tiger Shir Khan, King Louis, der Bananenflutschende Affenkönig und natürlich Colonel Hathi, das Oberhaupt der Elefanten (allein der Aufmarsch der Elefantenpatrouille ist den Besuch des Films wert), und der Swing der happy-feeling Songs - dies alles macht DAS DSCHUNGELBUCH zu einer Glücksoase!
Mein erster Kinofilm.
DIE KONFERENZ DER TIERE
Deutschland 1969 - Regie: Curt Linda
Optisch bezaubernder Zeichentrickfilm mit Tiefgang und berührendem Humor.
Zeigt in beklemmender Weise auf, dass die Menschheit mehr in den eigenen Untergang investiert, als in Frieden, Freiheit und Achtsamkeit gegenüber der Natur zu leben. Erich Kästner schrieb das Buch 4 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges. Wieviel Chancen sind seither verstrichen….
„Die 365. Friedenskonferenz der Menschen ist ergebnislos zu Ende gegangen“ -
50 Jahre nach Erscheinen des Films (1969) aktueller denn je!
Übrigens hatte Kästner das Buch bereits 1949 Walt Disney zur Verfilmung angeboten. Mit den Worten „No politics“ („Keine Politik“) wurde es von diesem abgelehnt.
Daniel Beyer
Wien/Fuschl/München
Dezember 2022
Un luogo eccezionale
„Das Bazar“ (wie es mit berechtigter Hochachtung genannt wird) verschenkt diesen Zauber und andere Unwirklichkeiten, so man sich auf die Reise mit ihm begeben will… Ob zur Morgenstunde (wichtige Tageszeitungen liegen bereit), zum leichten Mittagstisch, nachmittäglichen Träumereien oder Konversationen auf der idyllischsten Terrasse Salzburgs, einem Tagesausklang, oder nach Konzert- oder Theaterschluss das Parlieren bei Sacherwürstl und Bier:
Dieser Ort bietet die Chance, die Schwerelosigkeit des Seins zu erleben.
Dank an das Bazar für 47 unvergängliche Jahre!
Daniel Beyer
Salzburg, 6.12. 2022
„Verachtet mir den Maestro nicht...“
„Die Meistersinger von Nürnberg“ und Herbert von Karajans herausragende Kapellmeisterqualitäten
Dass es sich trotz des heiteren Grundtons dieser Oper um kein „leichtes“ Werk handelt, wurde den damals Ausführenden allerdings sehr schnell klar, denn die Anforderungen an Sänger, Chor und Orchester sind hoch, besonders hoch aber für den Dirigenten. Bis heute nehmen die „Meistersinger“ im Opern-Repertoire eine Sonderstellung ein, gelten als besonders „schwer“ (Spaßvögel verweisen dabei gerne auf das Gewicht der Partitur…), zumal unter den akustischen Bedingungen des „mystischen Abgrundes“ in Bayreuth. Horst Stein, der sich dort in vielen Jahren zum sattelfesten Bayreuth-Kapellmeister profilieren konnte, wies auf die besondere Schwierigkeit hin, die weit entfernt sitzenden Holzbläser - sehr oft solistisch gefordert - mit den Sängern zu koordinieren.
Ohne die Leistungen der Sänger (u.a. hat Hans Sachs die längste aller Opern-Partien zu bewältigen), des Chores und des Orchesters mindern zu wollen: ab dem Moment da sich der Vorhang öffnet, stehen dem Dirigenten 5 Stunden bevor, die höchstes kapellmeisterliches Handwerk verlangen!
Abgesehen von den zahlreichen „Falltüren“ die in jedem der 3 Akte vorhanden sind, stellt auch die Länge des Werkes die physische und mentale Kondition extrem auf die Probe. Allein der 3. Akt dauert solange wie die gesamte „La Bohème“!
Ohne ´en Detail´ zu gehen: der 1. Akt beinhaltet permanente Tempo - und Stimmungswechsel, eine Menge an Parlando, die berühmt-kniffligen „Davidsweisen“, sowie das erhitzte Durcheinander der Meister zum Aktschluss, welches durch die unvermittelte Einmischung der Lehrbuben im konträren 6/4 Takt der rhythmischen Stabilität „Hörner aufsetzten“ kann.
Im 2. Akt biegen die Text-Strophen der Schusterlieder um manch unerwartete Ecke (!), der komplizierte Dialog Beckmesser/Sachs kann mit seinen unregelmässigen Orchestereinwürfen zum schlagtechnischen Fallstrick werden, die Flüstereien von Eva und Stolzing unter der Linde verlangen allen Beteiligten „sotto voce“ ab, dagegen entfesselt sich wie aus dem Nichts der Tumult der sogenannten „Prügelfuge“, welche dem Chor in voller Stärke rhythmisch und bewegungstechnisch Alles, und dem Dirigenten eiserne Stabilität abverlangt.
Der irritiert-verängstigte Nachtwächter beendet diesen genialen Akt.
Der 3. Akt schließlich (er will verdient sein!!) reiht einen Höhepunkt an den nächsten. Nach dem - sich in herbstlich-nachdenklichen Klangschichten entfaltenden – Vorspiel, leuchtet der Morgen des Johannistags in die Schusterstube. Davids Ständchen, der „Wahnmonolog“ von Sachs, die „Geburt“ von Stolzings Preislied, Beckmessers misslingende Entwendung desselben, in der Absicht, sich mit „fremden Federn zu schmücken“, der zärtlich-bittersüße „Moment d`amour“ zwischen Eva und Sachs, das schwerelos Zeit und Raum lösende Quintett in seiner stillen Festlichkeit, und die heitere Ausgelassenheit der Festwiese, welche die allzumenschlichen Querelen und Zwistigkeiten des Vortages in Versöhnung ausklingen lässt, bevor die Schlussworte von Hans Sachs „Verachtet mir die Meister nicht“ in Jubel übergehen.
„Das sind nur die Namen“ (würde David anmerken)… Nun lernt sie mit Leben zu füllen und ihre Vielfalt (von strenger Ordnung und weisen Einsichten gehalten) in ein Ganzes zu bringen – könnte man weiterführen.
In besonders überzeugender Weise ist dies Herbert von Karajan gelungen, der vorranging Eines verdeutlichen konnte: die „Meistersinger“ sind eine Parabel für Menschlichkeit und Toleranz. Weder Gewalt noch Ausgrenzung haben in diesem Werk einen Platz, wohl aber Regeln, Wertschätzung, Einsichten, Humor, Widersprüche, Streitereien, Stolz, Schadenfreude und vieles mehr.
Shakespeare-Nah, locker, humorvoll, deftig, festlich gestimmt, auch ernst und nachdenklich: diesen „Ton“ der „Meistersinger“- Partitur in all ihren Facetten hat Karajan kongenial erfasst, klingende Realität werden lassen.
Weder eine Nimbus - Vermehrung, noch eine Glorifizierung Karajans ist beabsichtigt, vielmehr das schiere Gegenteil: die nüchterne Beurteilung seiner enormen kapellmeisterlichen Qualitäten und souveränen, dem Werk verpflichteten Gestaltungsfähigkeiten.
Seine „Meistersinger“ Erfahrung weist eine recht klare Dreiteiligkeit auf: die Zeit vor der Dresdner Studio-Aufnahme, jene Aufnahme selbst, und danach die Aufführungen der Osterfestspiele in Salzburg.
1931 - 1959
Erstmals dirigierte Karajan die „Meistersinger“ in Ulm am 20.11. 1931. Er wurde1929, im Alter von 21 Jahren, als 1.Kapellmeister an das dortige Theater engagiert.
Von 1935 – 1942 folgten insgesamt 14 Aufführungen, welche er am Theater Aachen und der Staatsoper Berlin - bereits auswendig - leitete. 1951 erfolgte die Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele; Karajan leitete dort 5 Aufführungen der „Meistersinger“ von denen ein EMI Mitschnitt existiert. Otto Edelmann, Erich Kunz, Hans Hopf und Elisabeth Schwarzkopf bieten prächtigen Wagner-Gesang inmitten eines durchwegs exzellenten Ensembles. Karajan liefert eine gemütvolle, plastisch und leichtfüßig musizierte Meisterleistung. Souverän bei der Sängerbegleitung, als auch in der Koordination zwischen Bühne und Graben, lässt er keine Schwierigkeiten bezüglich der komplizierten Bayreuther Akustik erkennen.
Leider fehlt das Quintett, welches aus technischen Gründen wohl nicht aufgezeichnet wurde.
1959 leitete Karajan eine Einzelvorstellung an der Wiener Staatsoper, bevor er sich bis 1970 von dem Werk verabschiedete. Er hatte bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt 21 Aufführungen dirigiert.
1970
Am Spätnachmittag des 23. November 1970 durchquert ein drahtiger Herr ohne jegliche Formalitäten den Grenzübergang „Checkpoint-Charlie“ in Berlin und steigt in einen Regierungswagen der DDR, Marke Tatra. Dieser bringt ihn nach Dresden, wo er in der 14. Etage des neuerbauten Interhotels Nawa ein Appartement bezieht. Noch am selben Abend trifft sich Herbert von Karajan mit dem Aufnahmeteam der bevorstehenden Schallplattenaufnahme, welche zur Legende geworden ist.
EMI und VEB (Deutsche Schallplatten) ist es nach jahrelangen Vorbereitungen gelungen, ein gemeinsames Großprojekt zu realisieren: die Aufnahme der „Meistersinger von Nürnberg“ mit der Staatskapelle Dresden unter Herbert von Karajan. Er hatte das Orchester erstmals im August 1965 bei den Salzburger Festspielen in einem Orchesterkonzert (Tschaikowsky Klavierkonzert b-moll Solist: Svjatoslav Richter, Dvorak 8. Sinfonie) dirigiert, worauf unmittelbar Planungen für das Projekt in Dresden begannen.
Was vom 24.November bis 4. Dezember 1970 in der Dresdner Lukaskirche produziert wurde, hat Schallplattengeschichte geschrieben! Ein phänomenal besetztes Sängerensemble, das von Richard Wagner als „Wunderharfe“ bezeichnete Orchester, sowie der hochgeschätzte Rundfunkchor Leipzig (Leitung: Horst Neumann) boten eine Voraussetzung, die höchste Erwartungen weckte. Und diese wurden eingelöst. Herbert von Karajan gelang es vom ersten Moment der Zusammenarbeit an, alle Beteiligten in einen Ausnahmezustand zu versetzen, der singuläre Resultate zur Folge hatte.
In aller Ruhe legte er eine Geschwindigkeit und Professionalität an den Tag, die zu Höchstleistungen führten. Dem noch unbekannten René Kollo brachte sein Stolzing-Debüt den sofortigen Durchbruch zur Weltspitze, Helen Donath als bezaubernd-jugendliches Evchen begeisterte restlos, ebenso Peter Schreier, dessen David in jeglicher Hinsicht unerreicht geblieben ist. Theo Adam als Sachs ist „Primus inter pares“; eher leicht und lyrisch, gelingt ihm ein freundliches Porträt des genialen Schusters, welches mit dem galligen Beckmesser von Sir Geraint Evans gelungen kontrastiert. Karl Ridderbusch (Pogner) mit samtigem Bass, Ruth Hesse (Magdalena) und Kurt Moll (Nachtwächter!) sind Luxusbesetzungen, ebenso das stimmlich sehr differenziert vernehmbare Ensemble der „Meister“.
In einer der Proben äußerte Karajan, er habe sich „neu in das Stück verliebt“, was sich in dem wunderbar-beschwingten Miteinander der riesigen Besetzung plastisch mitteilt. Die Staatskapelle Dresden „streute Rosen“ für die Sachlichkeit seiner Ansagen und das psychologische Geschick, mit welchem er jede Anspannung zu lockern wusste.
Im Sommer 1976 nahm ich an einem Dirigierkurs des Salzburger Mozarteums teil, welcher von Otmar Suitner geleitet wurde. Am 15. August gab die Saatskapelle Dresden ein Konzert unter Karajan und es gelang mir, sowohl die Generalprobe am Vormittag zu besuchen (was auch Aufgrund der strengen Bewachung des Orchesters nahezu unmöglich war), als auch das Konzert am Abend zu hören. Das Programm enthielt das 3. Klavierkonzert von Beethoven (Solist: Emil Gilels) und die 10. Sinfonie von Schostakowitsch.
Obwohl das abendliche Konzert zu einem fulminanten Erfolg wurde, ist mir vor allem die Atmosphäre der Generalprobe unvergesslich geblieben. Schwerlich lässt sich in Worte fassen, welche Gefühle der gegenseitigen Wertschätzung und des Einsatzes „bis zum Letzten“ bei dieser Wieder-Begegnung hin und her gingen. Dergleichen Bewegendes zwischen Orchester und Dirigent habe ich nie mehr erlebt.
Der Kontrast dazu nach Probenende, als der „Orchesterbetreuer“ in Kasernenhofton der Staatskapelle nochmals die „Pflichten“ und Abläufe während ihres Aufenthaltes vorschnarrte. Karajan hörte sich dies regungslos mit an, sagte dann zum Orchester: Ich danke Ihnen allen und vergessen sie nicht: WIR sprechen heute Abend eine andere Sprache!
Ein mir befreundetes Ehepaar hatte Kontakt zu einem Posaunisten der Staatskapelle und war im Anschluss an die Probe mit ihm verabredet. Spontan wurde ich eingeladen, sie auf einem Spaziergang zu begleiten denn der große Wunsch des Posaunisten war, Karajans Wohnhaus zu sehen. Also fuhren wir gemeinsam nach Anif und liefen über einen langen Feldweg zu jenem schlichten bäuerlich-salzburgischen Haus, welches von weiten Feldern umgeben ist und den Untersberg im Blick hat. Auf diesem Spazierweg erzählte der Posaunist von der Zusammenarbeit mit Karajan in Dresden - sie sei für das Orchester ein unvergleichlicher Höhepunkt geblieben. Psychologisch geschickt, dabei immer das Resultat im Blick, habe Karajan von Anfang an eine entspannte und motivierende Atmosphäre hergestellt. In einer der ersten Proben mit dem Orchester habe er eine besonders heikle Stelle der 1. Violinen herausgegriffen (Vorspiel zum 3. Akt Takt 35-44) und ausgiebig probiert. Dabei sagte er: „Vergessen Sie das notierte pianissimo und spielen bitte alles in einem gesunden mezzoforte – achten Sie nur auf Intonation und den melodischen Bogen - solange, bis Sie sich darauf freuen die Stelle zu spielen“. Als alle Nervosität verschwunden war sagte er: „So, und nun mit derselben Intensität in zartem pianissimo - angstfrei“. Noch ein zweites Beispiel nannte er: im „Fliedermonolog“ von Sachs, vor der Stelle „Dem Vogel, der heut sang,…“ hat das 2. Horn in tieferer Lage ruhige Triolen zu spielen. Dem Hornisten gelang die Stelle mehrfach nicht, es wurde still. Das Orchester wusste, dass der Kollege dem Alkohol nicht abgeneigt war, Karajan wusste es nicht.
Auf einmal sagte er: „Ich schlage vor, wir machen jetzt Pause und der Kollege am Horn trinkt mal einen Schluck Bier“. Das Orchester traute den eigenen Ohren nicht! Nach der Pause gelang die Passage mühelos, von allen akklamiert.
Die Aufnahme schritt bei voller Konzentration zügig aber ohne Hast fort und näherte sich ihrem Abschluss, früher als disponiert.
Der renommierte Musikwissenschaftler und Dirigent Peter Gülke, selbst langjähriger Kapellmeister der Semperoper Dresden, erinnert sich:
„Sie unterschätzen mich“, beschied Karajan, als es aufs Ende der Dresdner Meistersinger-Einspielung zuging, den wegen knapp werdender Termine besorgten Aufnahmeleiter. Dessen Liste hatte er vorweg gekürzt und damit sich und die Mitwirkenden unter Druck gesetzt. Dennoch nahm er sich, als es schon eng wurde, Zeit, bei der Prügelfuge Solisten und Chorgruppen neben dem Orchester und auf den Emporen der Lukaskirche mehrmals umzustellen; die als Zaungäste zugelassenen Kapellmeister beobachteten hingerissen, daß seine Einsätze bei dem für Schmisse bekannten Stück, als habe er im Computer die Software gewechselt, trotz Tempos und mehrmals veränderter Positionierung stets in die richtige der sechs möglichen Richtungen zielten.“
Kaum eine Viertelstunde über die Zeit hinaus, welche Vorspiel und Choral brauchen, war übrig, als es endlich so weit war und er der höchsten Konzentration aller Beteiligten sicher – psychologisch meisterhaft die Herstellung eines strikt fokussierten Kraftfeldes, welches all seinen Narzissmus auf die Sache zu beziehen erlaubte. Wenn irgendeine, dann war das seine Situation: Alle blickten auf ihn, alles hing von ihm ab, suggestiver kann sich vor dem Startschuss kein Sportler sammeln, den Körper in Bereitschaftsstellung straffen. So wie in diesem ersten und letzten Ritt ist der Meistersinger-Beginn auf die Platte gekommen.“
(Peter Gülke Auftakte – Nachspiele / Metzler – Bärenreiter Verlag)
Damit waren die Aufnahmesitzungen beendet, das rote Mikrofonlicht aus.
Die Abschiedsworte Karajans blieben allen Beteiligten unvergessen:
„Mein Agent hat mir einmal gesagt: Warten Sie, bis Sie eines Tages nach Dresden kommen werden. Das Spiel der Dresdner Staatskapelle glänzt wie altes Gold“. Dann fügte er hinzu: „In Ihrer Stadt ist viel zerstört worden; Sie aber sind ein lebendiges Monument der Dresdner Tradition und Kultur“.
Nicht wenigen Musikern der Staatskapelle Dresden stand das Wasser in den Augen.
***
Salzburg 1974
Es war eine mehr als naheliegende Konsequenz, dass der enorme Erfolg der Dresdner „Meistersinger“- Aufnahme durch szenische Aufführungen ihr Optimum erreichen sollten, und damit vor einem großen Publikum stattfinden konnten. Die Salzburger Osterfestspiele boten dafür den idealen Rahmen, und so kam es dort 1974 zu 3 szenischen Aufführungen der „Meistersinger“.
Nachdem Karajan seit der Gründung 1967 den gesamten „Ring“, Tristan und Isolde, sowie Fidelio in eigener Regie herausgebracht hatte, inszenierte er auf der Riesenbühne des Salzburger Festspielhauses ein „Meistersinger“- Fest, welches das Publikum verzauberte und zu Beifallsstürmen hinriss.
In Bühnenbildern von Günther Schneider-Siemssen wurde das Nürnberger Stadtleben des 16. Jahrhunderts in all seiner Plastizität lebendig. Großräumig angelegte Schauplätze, prachtvolle Kostüme, typisch damalige Utensilien und Gebräuche - illuster in Szene gesetzt - und vor allem punktgenau agierende Charaktere in all ihrer Eigentümlichkeit, ließen eine vitale, von Humor und praller Lebensfreude pulsierte „Comédie humaine“ aufleben.
Um den verschiedenen Stimmungen gerecht zu werden, legte Karajan großen Wert auf ein exaktes Bühnenlicht: „Auch im zweiten Akt entsprach das Bühnenlicht den natürlichen Gegebenheiten. Nach Sonnenuntergang senkte sich langsam Dunkelheit herab. Der Mond ging so auf, daß sein fahler Schein geradewegs auf Hans Sachs fiel, als dieser vor seinem Schusterhaus sinnierte. In den Häusern ringsum waren die Lichter der Reihe nach angezündet worden und verloschen zur Schlafenszeit wieder. Plötzlich wurden sie neuerlich angefacht, als nämlich die „Nürnberger“ durch die sehr naturalistisch inszenierte Prügelszene – Karajan hatte dafür eigens eine Artistentruppe aus Paris engagiert – aus ihrer Nachtruhe gerissen wurden.“ (Übrigens landete Beckmesser (gedoubelt) zum Gaudium aller in hohem Bogen im Brunnen, der in Fontänen aufspritzte…)
„Als sich der Aufruhr gelegt hatte, wurden die Fenster wieder dunkel, nur Mondschein lag über der nächtlichen Szene“.
(Giesela Prossnitz – Herbert von Karajan Inszenierungen /Edition Brandstätter Wien)
Musikalisch setzte sich die „Sternstunde von Dresden“ fort, diesmal mit den Berliner Philharmonikern und einer teils veränderten Sängerbesetzung, die wesentliche Partien betraf. Karl Ridderbusch war der idealtypische Hans Sachs, verschmitzt und gewichtig seinen samtigen Baß verströmend. Der bis dahin wenig bekannte Günther Leib (Semperoper Dresden) war als Beckmesser kongenial besetzt: kauzig, dabei mit der listigen Schläue und Verschlagenheit sich positionierend, war er alles andere als ein harmlos-dumpfer „Trottel“, sondern eine Nürnberger Standsperson oberen Ranges, welche durch seine amourösen Ambitionen in Schieflage rutscht. Diese Darstellung entsprach voll und ganz der Sicht, welche Karajan zu dieser Figur hatte. Auch stimmlich verfügte Günther Leib dafür über den idealen „Werkzeugkasten“. Gundula Janowitz als Eva? „Selig, wie die Sonne meines Glückes…“
Und Peter Schreier als David war und blieb singulär! Mit der Partie verbunden, wie Hand und Handschuh.
Zu all dem ließen die Berliner Philharmoniker eine Pracht aus dem Graben aufsteigen, die mit Worten nicht mehr zu schildern ist!
Mit hörbarer Spielfreude, fülliger im Klang (als die Dresdner Kollegen), in allen Registern klanglich ausbalanciert, erstrahlte die Partitur in ihrer ganzen Genialität.
Mit diesen Salzburger Aufführungen beschenkte sich Karajan auch selbst. Die 1931 begonnene „Meistersinger“- Reise hatte sich gelohnt: „Parnass und Paradies“ waren erreicht.
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Die Salzburger Osterfestspiele 1974 fanden vom 6. - 15. April statt.
Das Programm enthielt 3 Aufführungen der „Meistersinger von Nürnberg“ (7./10./14. April), sowie je 2 Aufführungen von Bachs h-moll Messe und 2 Orchesterkonzerten ( I Beethoven 3. Klavierkonzert – Solist: Jean Bernard Pommier/ 5. Tschaikowsky) ( II Mozart Divertimento KV 287/ Strauss Sinfonia domestica)
Zusätzlich gab es 2 öffentliche Proben für die Förderer der Osterfestspiele.
Sämtliche Aufführungen wurden von Herbert von Karajan dirigiert.
Salzburg 1975
Zusätzlich zu dem sich wiederholenden „Meistersinger“- Fest von 1974, zog Karajan 1975 den Joker von 3 „La Bohème“ Vorstellungen in der unübertroffenen Inszenierung von Zeffirelli. Mit Mirella Freni und Luciano Pavarotti auf der Bühne, war des Jubels kein Ende mehr.
Die beiden „Meistersinger“-Vorstellungen wurden zeitlich geteilt.
Der 1.+ 2. Akt begann um 11.00 Uhr, der 3. Akt um 18.30 Uhr
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Die Salzburger Osterfestspiele 1975 fanden vom 22. - 31. März statt.
Das Programm enthielt 2 Aufführungen der „Meistersinger von Nürnberg“ (23./30. März), sowie 3 Aufführungen von „La Bohème“ (Freni/Pavarotti – Regie: Franco Zeffirelli /22./26./29.März), je 2 Aufführungen von Beethovens Missa solemnis und einem Orchesterkonzert (Dvorak Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ / Ravel Bolero)
Zusätzlich gab es 2 öffentliche Proben für die Förderer der Osterfestspiele.
Sämtliche Aufführungen wurden von Herbert von Karajan dirigiert.
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Der ORF hat in beiden Jahren je eine „Meistersinger“- Aufführung mitgeschnitten welche nicht veröffentlicht wurden, dennoch aber erhältlich sind. Trotz eingeschränkter Tonqualität sind diese Mitschnitte ein künstlerisches Dokument obersten Ranges.
Daniel Beyer
Attersee, 26. November 2022
„Schau alle Sachen an: dies alles ist in dir"
Ein Kirchenglasfenster in Brandenburg weist eine Spur
An sich
Sei dennoch unverzagt! Gib dennoch unverloren!Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
vergnüge dich an dir und acht es für kein Leid,
hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.
Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren;
Nimm dein Verhängnis an. Laß alles unbereut.
Tu, was getan muß sein, und eh man dir`s gebeut.
Was du noch hoffen kannst, das wird noch stets geboren.
Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
Ist ihm ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn,
und eh du fürder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann,
dem ist die weite Welt und alles untertan.
30jährig verstarb er an einer Lungenentzündung in Hamburg, wo er im Chorumgang der Hauptkirche St.Katharina bestattet wurde.
Erstmals wurde ich auf Paul Fleming aufmerksam, als mich im Frühling 1992 von Cottbus aus ein Ausflug in die Paul Gerhardt Kirche nach Lübben (Brandenburg) führte, in welcher mir ein Glasfenster mit dem Portrait des Dichters auffiel.
Wie ich nach Cottbus kam?
Anlässlich einer „Zauberflöten“- Produktion im Sommer 1991 lernte ich den damaligen Operndirektor des Staatstheaters Cottbus, Dieter Reuscher, kennen. Er erwähnte, daß aktuell ein 1. Kapellmeister für das Theater gesucht würde und ermunterte mich zu einer Bewerbung, allerdings hätte es schon drei erfolglose Runden mit zahlreichen Kandidaten gegeben.
Ich dachte an das Motto „Einer reicht“ und fuhr von Berlin aus im September 1991 (noch über die alte DDR Betonplatten-Autobahn) zu einem Probedirigat, in welchem 3 verschiedene Werke mit dem Orchester in 60 Minuten zu probieren waren. Daraufhin wurde ich zu einer Vorstellung der „Lustigen Witwe“ eingeladen, welche im Oktober stattfand. Wenige Minuten nach Vorstellungsende teilte mir der Generalmusikdirektor mit, nach nahezu einstimmigem Votum wolle man mich als 1. Kapellmeister engagieren und freue sich auf die Zusammenarbeit!
„Il dado è tratto“ – „Die Würfel sind gefallen“, dachte ich in diesem Moment, der in unwirkliche Gedankenflüge überging, und erst durch mein „Ja“ das Angebot real werden ließ.
Die Jahre in Cottbus erlebte ich als einen Übergang ins Unbekannte.
Den Anforderungen der Kapellmeister-Position am leistungsstarken Cottbusser Theater gerecht zu werden, verlangte mir die unerlässlich-genaue Vorbereitung, hohen Arbeitseinsatz, Flexibilität und Nervenstärke ab. Viele Opern und Operetten dirigierte ich dort erstmals, sowohl in eigener Premieren Einstudierung , als auch (für den 1.Kapellmeister die ständige Adrenalinkur) quasi ohne Probe als Übernahme.
Zwei Jahre nach der Wende im November 1989, war der Alltag in der Stadt noch stark von den DDR - Zeiten geprägt.
Als erstes fiel mir der beissende Geruch der Luft auf – ein Gemisch der noch überwiegend verwendeten Trabbis und Wartburg-Autos, sowie dem Lausitzer Braunkohleabbau. Bei nebligem Wetter konnte einem die Luft nicht nur die Atmung, sondern auch das Gemüt belasten.
Für die Menschen war eine Zeit gravierender Veränderungen angebrochen, Verunsicherung und auch Enttäuschung war zu spüren.
Männer und auch Frauen in schwarzen Schildmützen, bescheidener oder auch alter Kleidung prägten das Straßenbild, welches von klobigen DDR Bauten, kaum restaurierten Altbauten, vielen Baustellen und bereits provokant-moderner „West-Architektur“ dominiert war.
Wenig öffentliches Leben war spürbar, an den Abenden wirkten mit Anbruch der Dämmerung die Straßen wie leergefegt, auch in den Wohnungen oder Häusern war außer blauem Fernsehlicht häufig nur sparsame Beleuchtung zu sehen.
Wertvolle, menschlich bereichernde Begegnungen verbinde ich mit dieser Zeit; auch Missmut und Verschlossenheit, sowie Gelassenheit und Hilfsbereitschaft.
Ich hatte das Glück, im obersten Stockwerk einer neuerbauten Wohnanlage in Cottbus Schmellwitz eine Wohnung mit Balkon zu bekommen – was bei dem damalig noch bestehenden Wohnraummangel geradezu luxuriös war.
Ja, der Balkon: Blick auf zahlreiche Baustellen, Sonnenuntergänge in Zeitlosigkeit getaucht, Sommernächte mit Kerzenlicht und Partiturstudium, Mahlzeiten zu Mittag mit Kollegen im Gespräch, Träumen nach dem Öffnen der ersten Weinkiste aus der Wachau, die Staubwolken der Pferde beim Ausritt in der Abendsonne jener Reitanlage, die in den Horizont überging.
Wie Anfangs erwähnt, führte mich auch ein Ausflug nach Lübben. Hätte ich es jemals für möglich gehalten, dort dem Barockdichter Paul Fleming auf die Spur zu kommen?
Paul Fleming und den Eindruck des Glasfensters in der Kirche von Lübben hatte ich längst vergessen, da „flog“ mir sein Gedicht „An sich“ in der Zeit meiner Zusammenarbeit mit dem Georgischen Kammerorchester (1999-2003) unvermittelt zu. Seitdem begleitet es mich, hat seine initiale und weit-öffnende Wirkung nie verloren - in bitteren, wie in reflektiven und glücklichen Momenten.
Thomasschule und Medizinstudium in Leipzig mit Abschluss Magister.
Tätigkeit am Hof von Holstein als Arzt, Hofjunker und Truchsess. Erste Gedichte und lyrische Arbeiten. Besonders: „Auf den Tod eine Kindes“ - „Madrigal“.
Reisen mit der Gesandschaft nach Russland und Persien; Verlobung mit Anna Niehusen in Reval (heutiges Tallinn). 1640 medizinische Doktorwürde an der Universität Leiden, beabsichtigte Tätigkeit als Arzt in Tallinn.
Tod mit 30 Jahren in Hamburg.
Daniel Beyer
Oktober 2022
ANTON BRUCKNERS
TÖNENDER GLANZ
Anton Bruckner und die von ihm geschaffene Musik entziehen sich dem Vergleich.
Einzigartig ragt das Gebirge seiner monumental ausgedehnten Sinfonien,
Bruckners mühsam errungenen Berufs-Aufstieg hat lebenslang die Einsamkeit begleitet. Eine Einsamkeit, die der schwer zugänglichen Seelen-Tiefe des visionären Komponisten aber auch ihre Freiheit belassen hat und Schutz gewähren konnte. Als Ausgleich für das ständig sich wiederholende „Abrutschen“ an der Außenwelt, scheint in Bruckner das Lot seiner Bestimmung, der Glaube an den Wert seiner „inneren Stimme“ unaufhaltsam gewachsen zu sein. Diesem, seinem eigentlichen Auftrag folgenden Leben, konnten weder Bruckners permanente Selbstzweifel, noch das Gehöhne seiner Widersacher die Spur verwehen.
Herkunft - Leben
Anton Bruckner wird am 4. September 1824 in Ansfelden (Linz) als ältester Sohn eines Schullehrers in ländlich-ärmliche Verhältnisse geboren. Durch den frühen Tod des Vaters (1837) entstanden finanzielle Schwierigkeiten, die der Mutter einer vielköpfigen Familie pragmatische Entscheidungen abforderte und sie zum Handeln bewegte: Bruckner tritt 12jährig als Sängerknabe in das nahegelegene Stift St.Florian ein; seine musikalische Ausbildung läuft dort in geordneten Bahnen, die kirchliche Erziehung prägt entscheidend und nachhaltig das Innenleben des „Buben vom Land“. Zeit seines Lebens wird das als Hochburg des Glaubens angesehene, in prachtvollem italienischem Barock erbaute Augustinerkloster St.Florian Bruckners geistige Heimat bleiben.
Mit 17 Jahren wird er „Schulgehilfe“ in Windhaag, einem 200-Seelen-Dorf an der böhmischen Grenze. Außer „Mistfassen“ (gegen das sich Bruckner mit Vehemenz wehrt) bleibt ihm dort keine niedere Tätigkeit erspart – Heuwenden, Kartoffelngraben, Dreschen, sowie Mesner- und Organistendienste verrichtet der bei seinem Vorgesetzten Lehrer Fuchs Unbeliebte mit stoischer Geduldigkeit. Auch schockierte der zu Skurilität neigende „Gehilfe“ die Dorfbewohner, indem er Krebsen brennende Kerzen auf den Rücken klebte und sie nachts auf dem Friedhof herumspazieren ließ...
Nach 2 Jahren zieht er weiter nach Kronstorf, was ihn die Enge des Schuldienstes mehr und mehr spüren lässt. Das Orgelspiel – von Anbeginn an Bruckners Leidenschaft – führt ihn mit 21 Jahren wieder zurück nach St. Florian. Zunächst als Lehrer dort tätig steigt er zum Organisten auf, um endlich 1856 Domorganist in der oberösterreichischen Hauptstadt Linz zu werden. Trotz seiner lebenslang verbleibenden Unsicherheit vertraut er ab diesem Zeitpunkt dem musikalischen Weg; die Entfaltung und Vertiefung seiner drei künftigen Wirkungsfelder – Komponist, Organist und Musikpädagoge – nimmt Kontur an.
Parallel zu seinem Amt als Linzer Domorganist beginnt er mit 35 Jahren Unterricht im „strengen Satz“ bei dem legendären Theoretiker Simon Sechter in Wien zu nehmen und wird in den sechs Jahren von 1855-1861 sein (nach Sechters eigenen Worten) „fleissigster“ Schüler. Eine von Sechter geleitete Komission nimmt die Abschlussprüfung vor die Bruckner brillant absolviert und den Dirigenten Johann von Herbeck zu dem Ausruf veranlasst: „Er hätte uns prüfen sollen“. Das begehrte, mit Bestnoten versehene Zeugnis wird ihm ausgehändigt.
Um dem erlernten „strengen Satz“ ein praxisnahes Äquivalent hinzuzufügen, studiert Bruckner die Musikliteratur von der Klassik bis zu seinen Zeitgenossen; dabei wird er von dem zehn Jahre jüngeren Kapellmeister des Linzer Theaters Otto Kitzler angeleitet. Dieser macht ihn erstmals auf Richard Wagner aufmerksam, studiert mit ihm die „Tannhäuser“ Partitur. Die soghafte Wirkung von Wagners Chromatik, sowie die ungeahnten Möglichkeiten der enharmonischen Zweideutigkeit, lösen bei Bruckner eine positive Schockwirkung aus. Ein initiales Erlebnis, welches seinen bisher gemächlich geschichteten musikalischen Boden kräftig ins Wanken bringt. (Nicht unähnlich der Bach-Erfahrung Mozarts ab dem Jahr 1782 /Studium vor allem der Bach´schen Klavierfugen, Aneignung deren Kompositionstechnik /1789 hört Mozart in der Thomaskirche Leipzig die Kantate „Singet dem Herrn ein neues Lied“ - daraufhin intensive Beschäftigung mit Werken J.S. Bachs)
Bruckners Kompositionstechnik richtet sich nun innovativ danach aus, den erlernten „strengen Satz“ und Wagners hochexpressive Chromatik zur Synthese zu führen: eine sehr eigenständige, von religiöser Mystik geprägte Klangwelt entsteht. Mit 42 Jahren liegt die 1. Sinfonie vor – von ihm selbst „das kecke Beserl“ genannt.
Dann tritt eine folgenreiche Veränderung seines bisherigen Lebens-Horizontes ein. Bei der dritten Vorstellung von „Tristan und Isolde“ am 19. Juni 1865 sitzt Bruckner im Publikum. Anlässlich dieses Münchner Aufenthaltes kommt es zur persönlichen Begegnung mit Richard Wagner, der Gefallen an dem Kollegen findet und ihm gehörig Selbstvertrauen mit auf den Weg gibt. Auf Einladung Wagners erlebt Bruckner 1876 die Uraufführung des „Ring“, sowie 1882 die Uraufführung des „Parsifal“ bei den Bayreuther Festspielen. Auch lädt er den „armen Organisten Bruckner aus Wien“ gerne in die Villa Wahnfried. Anschaulich schildert der Maler G.A. Kitz wie Wagner – nachdem er von seinem Diener ein Fäßchen Bier hat aufstellen lassen – den Gast zu einem Umtrunk überredet. „ Ich hörte nur, daß von Musik gesprochen wurde, der fremde Herr (Bruckner) von der Begeisterung der Wiener über den „Lohengrin“ erzählen wollte und Wagner immer abwehrend sagte: „Ach, lassen Sie das, ich kenne das, da kommt ein Schwan mit einem Ritter, das ist einmal etwas Neues und anderes, hier trinken Sie lieber, das ist ein herrlicher Trunk, „Weihenstephan“, und dabei hielt ihm Wagner ein volles großes Glas hin – „auf Ihr Wohl!“ – „Um Gotteswillen, Meister, das kann ich ja nicht und wäre es mein Tod, ich komme ja soeben aus Marienbad!“ – „Ach was“ rief Wagner, „das macht Sie gesund, trinken Sie!“
1868 tritt Bruckner die Nachfolge Simon Sechters an: Berufung an das Konservatorium Wien als Hoforganist, Lehrer für Orgelspiel, Kontrapunkt und Harmonielehre; 1875 ergänzt ein kaum honorierter Lehrstuhl an der Universität die Anstellung. Er bleibt ein Fremder in der Weltstadt Wien. Unbeholfen und schrullig wirkend, tappt er durch das alltägliche Getriebe der Kaiserstadt. Ein eigensinniger Provinzler, der den raffiniert-gefädelten Intrigen in der Kunstmetropole ebenso schutzlos wie unverständig begegnet. Sein Mißtrauen, und die als Unterwürfigkeit wahrgenommene Demut führen dazu, daß hilfreiche Kontakte und die von Bruckner als Lebenselixier stets herbeigewünschte Anerkennung ausbleiben. Einzig die gewissenhafte Erfüllung seiner Lehrpflicht gibt äußeren Halt und wird von den Schülern mit Respekt gelohnt.
„Er wirkt auf seine Umgebung skuril, in Habit und Haltung. Ihm fehlt der bürgerlich-sichere Umgangston. Das soll sein Leben lang so bleiben. Erfolge machen ihn unsicher, Mißerfolge treffen ihn tief. Unbeirrbar hängt er seinem katholischen Glauben an, kann ohne Beichte und Abendmahl nicht leben. Sich durchzusetzen, vertraut er allein auf Leistung, auf Können, das er sich nach wie vor gern und oft in Prüfungen und Zeugnissen bestätigen läßt. Auch der Traum von einem gutbürgerlichen Heim, von Ehe und Familie, wird nie ausgeträumt. Bis ins Alter wird er sich immer wieder aufs neue verlieben und ebenso vergeblich auf weibliches Verständnis hoffen.“ (Hansjürgen Schaefer /Bruckener - Henschel Verlag)
Neben seiner Lehrtätigkeit und den auch international hochgeschätzten Auftritten als virtuoser Organist, richtet sich Bruckners Kraft fortan in zunehmendem Maße auf das Komponieren. In der mönchischen Einfachheit seiner Wiener Behausung entsteht in den Jahren bis zu seinem Tod 1896 das zentrale Werk: die Sinfonien. Durch sie begründet der einzelgängerische „Spätentwickler“ seinen bleibenden Nachruhm, wenngleich dieser auch durch die Tücke der sprichwörtlichen Wiener „Falltüren“ zunächst verhindert wird. Bruckner bekommt zu spüren, was später Karl Farkas treffend formuliert: Wir Wiener blicken vertrauensvoll in unsere Vergangenheit.
Wurden die ersten beiden Sinfonien noch wohlwollend kommentiert, so kommt es bei der Uraufführung der 3. Sinfonie am 16. Dezember 1877 zu einem Eklat – von den Wiener Philharmonikern zunächst abgelehnt und dann nur mit Widerstand ausgeführt, verlassen während der Aufführung große Teile des Publikums den Goldenen Saal des Wiener Musikvereins. Bruckner selbst, unerfahren und zunehmend verängstigt, stand am Pult des Orchesters den Abend durch – anschließend war er „gerupft“... Einen vermutlich nicht unbeträchtlichen Anteil an diesem Debakel war der Tatsache geschuldet, daß Bruckner selbst Öl ins Feuer gegossen hatte, nachdem er 1873 die 3. Sinfonie seinem Idol Richard Wagner zur Widmung antrug, und dieser ihn mit den Worten „ Lieber Freund, mit der Dedikation hat es seine Richtigkeit, Sie bereiten mir mit dem Werke ein ungemein großes Vergnügen“ in nahezu besinnungslose Euphorie versetzte. Die „Wagner-Sinfonie“ Anton Bruckners besiegelte seine grenzenlose Verehrung für den Bayreuther Meister! Damit aber wurde er im wahrsten Sinne des Wortes zum „Bauernopfer“ der in Wien zahlreich vertretenen Anti-Wagnerianer die nun begannen, angefeuert vom berüchtigt–gefürchteten Musikkritiker Eduard Hanslick, eine beispiellose Brahms /Bruckner Kontroverse zu initiieren. Brahms selbst sparte nicht mit sarkastischen Kommentaren und das Bonmot Hans von Bülows über Bruckner: „Halb Genie, halb Trottel“ dürfte auch ihn zum Schmunzeln gebracht haben... Indes: die Brahms`sche Polemik wirkt letztlich fremdgesteuert, nicht wirklich vereinbar mit seinem bekanntermaßen friedliebenden Naturell. „Wenn Max Auers Auskunft zutrifft, daß es bei Bruckner „sich garnicht um Werke, sondern um einen Schwindel“ handele, „der in ein bis zwei Jahren erledigt sein wird,“ dann hat Brahms selbst sich den Zwang auferlegt immer wieder neu zu reflektieren, weshalb der „Schwindel“ sich nicht erledigte, die Erwartung mithin schwach oder falsch fundiert sei. (Peter Gülke – Brahms/Bruckner)
„Alles hat seine Grenzen. Bruckner liegt jenseits. Über seine Sachen kann man nicht hin und her, kann man nicht reden. Über den Menschen auch nicht. Er ist ein armer, verrückter Mensch, den die Pfaffen von St. Florian auf dem Gewissen haben. Ich weiß nicht, ob Sie eine Ahnung davon haben, was das heißt, seine Jugend bei den Pfaffen verlebt zu haben? Ich könnte davon und von Bruckner erzählen“ (Johannes Brahms an Elisabeth von Herzogenberg)
Diese Äußerung verfehlt aus heutiger Sicht die Wahrheit – „ dieser näher käme der Versuch nachzuvollziehen, weshalb in den Augen der Zeitgenossen Welten zwischen den beiden lagen, und inwiefern die Kontroverse, aller unsachlichen bis abscheulichen Zuspitzungen unerachtet, im Sinne einer Selbstdefinition der Protagonisten nicht auch notwendig und nützlich war. (...) Brahms konstruiert in seinen großen Formen aus dem Hier und Jetzt je eine neue Welt, Bruckner erschaut in ihnen ein Analogon zu schon Gegebenem und Bestehendem. Das hilft am ehesten – gewiß nicht vollständig – zu erklären, weshalb dieser dem Charakter und Lebenszuschnitt nach eher für Organisten- oder Kantorenämter geschaffene Mann riesenhafte Symphonien komponierte, soweit man diese nicht – ebenfalls halbrichtig – als Machtausübungen eines Mannes deuten will, der sich im täglichen Leben nur
Für Bruckner verschärfte sich die Lage in Wien – Akzeptanz und Anerkennung rückten in weite Ferne. So kam der eigentliche „Durchbruch“ erst 1884 durch die Uraufführung der (König Ludwig II. von Bayern gewidmeten) 7. Sinfonie im Leipziger Gewandhaus unter Leitung von Arthur Nikisch zustande. Weitere Aufführungen der 7. Sinfonie in Köln, Amsterdam, Chicago, New York und Boston weckten jetzt auch das internationale Interesse. Zuvor brachte die Wiener Uraufführung der 4. Sinfonie 1881 unter Hans Richter zwar einen durchschlagenden Erfolg, die 5. und 6. Sinfonie ernteten aber nur Verständnislosigkeit (beide Sinfonien hat Bruckner übrigens nur teilweise, und nie im endgültigen Orchesterklang gehört – die 9. Sinfonie erlebte er nur noch auf dem Papier).
Unverhofft aber zeichnet sich mählich auch in Wien eine Wende zugunsten des alternden Komponisten ab. Das am 2. Mai 1885 erstmals aufgeführte „Te Deum“, vor allem aber die Uraufführung der 8. Sinfonie am 16.12. 1892 mit den Wiener Philharmonikern ( jeweils unter der Leitung von Hans Richter) wurden als legendär gewertet - unaufhaltsame Erfolge eines Aussenseiters. Unterstützt von seinem Schülerkreis – allen voran der genialisch veranlagte Hugo Wolf – erfährt Bruckner endlich das Selbstwertgefühl eines Anerkannten. Zunehmende Wertschätzung und Ehrungen erreichen den zurückgezogen Lebenden. Vor allem die Ehrendoktorwürde der Universität Wien, sowie der am 9. Juli 1884 verliehene Kaiser Franz-Joseph Orden heben Bruckners Ansehen in der Öffentlichkeit und rühren ihn persönlich. Bereits ab1885 wird eine Herzmuskelerkrankung bei ihm diagnostiziert, welche verstärkt zu Wasseransammlungen führt; auch werden die zunehmenden Migräneanfälle zur Last. Trotz der sich drastisch verschlechternden Gesundheit erhält Bruckner sein schöpferisches Potential – er ringt um die letzten Aussagen seiner Berufung. Die 1887 begonnene Arbeit an der 9. Sinfonie kommt mühsam voran, wird ihn bis in die letzten Lebenstage beschäftigen und unvollendet bleiben. Von seinen Ämtern wird er ab 1890 freigestellt, auch die Tätigkeit als Organist stellt er ein und er entzieht sich alltäglicher Geselligkeit. Deutlich stiller wird es um ihn in der Heßgasse 7. Die treue Haushälterin „Kathi“ Kachelmayer wird der ruhende Pol seiner letzten Jahre, nicht zuletzt um unerwünschte Besucher fernzuhalten wenn er beim „kombinieren“ war, wie sie es zu nennen pflegte. Besorgt um seine Gesundheit, mahnte sie gutmeinend zu weniger Arbeit. Darauf Bruckner: „Was verstehst denn du davon? Man muß komponieren wann an was einfallt. Wissen`s wer i bin? I bi da Bruckner! Worauf er die Antwort bekam: „Und i bin di Kathi!“
„Dem lieben Gott“ („Wann er mir`s no fertigbringa laßt...“ ) widmet der Rastlose seine letzte Gabe. In der 9. Sinfonie findet Bruckner zur innigsten Zwiesprache mit der göttlichen Sphäre - sie wird (nach seinen eigenen Worten) der „Abschied vom Leben“. Das absolute, „zu Fragen“ entschlossene Suchen, evoziert den Versuch eines Brückenschlags in die Übersinnlichkeit. Die ultimativ-verdichteten Aussagen, oftmalig zielgerichtet zu eruptiven Höhepunkten geführt und sich in teils schmerzhaften Klang-Sprengungen (Tredezimenakkord im finalen Adagio!) aufbäumend, suchen den Dialog mit dem Letzten. Gebotener Abstand: in der zu ahnenden Resonanz scheint das Un-Sagbare auf.
Bruckners diesseitiger Weg nähert sich dem Ende, er fühlt die letzten Schritte seines Lebenskreises. „ Das Adagio der d-moll-Symphonie erscheint in diesem Wissen als eine autobiographisch motivierte Komposition, und dies in zweifacher Hinsicht. Einerseits ist es geprägt von schmerzerfülltem, subjektivem Ausdruck, wie er sich unmittelbar in den hochexpressiven Eröffnungstakten kundtut. Andererseits erweist sich der Satz als ein tiefempfundenes Glaubenszeugnis: Gebet und Bekenntnis im Angesicht des Todes. Denn unüberhörbar paraphrasiert das Hauptthema in seiner Schlußwendung jenes aus dem Gralsthema des Wagnerschen Parsifal vertraute Dresdner Amen (eine Klausel der sächsischen Liturgie), um nach einem wenige Takte umfassenden Crescendo in einem visionären, lichtdurchfluteten Klang aufzugehen, der von einem kurzen Motiv in der ersten Trompete gekrönt wird: dem „tonischen Symbol des Kreuzes“ (Abfolge großer Sekunde und kleiner Terz), wie Franz Liszt es nannte, aus dessen Graner Messe Bruckner diese religiös-musikalische Chiffre übernahm“ (Wolfgang Stähr – Bruckner/Bärenreiter Verlag).
Was sollte nach dieser Musik noch kommen? Hatte „der liebe Gott“ Bruckners Wunsch nach tatsächlicher „Vollendung“ der Sinfonie - im Sinne einer Suche, und nicht einer „Vollständigkeit“ - erhört?
„ENDEN WERDE ICH LEISE
INS LICHT ENTSCHWINDEND,
MIT ALLEM SCHWERELOS VERBUNDEN.
ES WIRD ERFÜLLTE STILLE SEIN.“
Gottfried von Einem
Das „Kustodenstöckl“ am Rande des Schlossparks von Belvedere wird ab Juli 1895 Bruckners letztes Refugium. Kaiser Franz Joseph stellt ihm die Räume zur Verfügung. Spaziergänge im Park und das Verweilen auf der „Brucknerbank“ werden zur Labsal für den Gebrechlichen. Letztmalig hört er, bereits im Tragesessel, anlässlich eines Konzertes am 12. Januar 1896 ein eigenes Werk: das „Te Deum“. Sein Dahindämmern schreitet voran, der Tod bringt am 11. Oktober die erlösende Ruhe. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung richtet die Stadt Wien die Trauerfeier für die „Leiche erster Klasse“ in der Karlskirche aus – auch Johannes Brahms gibt ihm die letzte Ehre. Der goldbronzene Sarkophag wird anschließend nach St.Florian überführt. Bruckners testamentarisch verfügter Wunsch, in der Kirchen-Gruft unter der großen Orgel seine letzte Ruhestatt zu finden, wurde erfüllt.
Daniel Beyer Mai - 2011
GUSTAV MAHLER
Kindertotenlieder
Sommer 1901 und 1904 in Maiernigg/ Wörthersee
Texte aus der Anthologie „Kindertodtenlieder“ von Friedrich Rückert
In diesem Wetter Mit ruhelos schmerzvollem Ausdruck AUFBEGEHREN - WIEDERSEHEN IM JENSEITS ? Unwetter bricht herein, die tobende Natur stürmt über das Land. Schaurig zuckende Blitze (sowohl in der Singstimme, als auch im Orchester drastisch illuminiert) beleuchten den letzten Weg der Kinder – eine Rückkehr zu den Eltern schenkt ihnen ihr junges Leben nicht mehr! Deren Leid betäubt sich in vorwurfsvollem, selbstzernagendem Lamento: „In diesem Wetter, in diesem Braus, nie hätt ich
Daniel Beyer Mai - 2011
Papillons für Carlos Kleiber
„Und in dem Wie, da liegt der ganze Unterschied“
Er wollte keine Spuren hinterlassen.
Dass sie unvermindert aufleuchten, er bei all jenen unvergessen bleiben wird,
Dass sie unvermindert aufleuchten, er bei all jenen unvergessen bleiben wird, die mit der überwältigend-wahrhaften Höhenluft seines Musizierens in Berührung gekommen sind, umkreist jene Sehnsucht nach dem Absoluten, welche er bei seinem Griff nach den Sternen vermitteln konnte.
Carlos Kleiber – Einer wie Keiner.
Was nicht alles ist versucht worden, um die singuläre Faszination, den magnetischen Sog, den glühenden Rausch seiner Auftritte beschreibend in Worte zu fassen. Und wie unzureichend, weil unmöglich, kann solch ein Bemühen nur bleiben? Entzieht sich doch der Moment, das Unwiederholbare der Fixierung. Wer es begreift, sich dem „Alles oder Nichts“ anvertraut, ist reich beschenkt, denn er hat die Musik und auch das Leben auf seiner Seite.
Carlos Kleiber wusste dies nicht nur, es war ihm Voraussetzung, um das Un-erhörte erlebbar zu machen. Das Aufblühen des Moments war seine Lebensluft, das sensitive Ausloten einer Partitur, hin zu ihren Nervensträngen, machte er zum Ereignis. Er umarmte die Musik und ermöglichte, dass sie in ihrer ganzen Grösse und Ausdrucksvielfalt frei atmen konnte. Die extreme Spannweite seiner emotionalen Möglichkeiten, Hingabe und Entfesselung bis an die Grenzen, und auch darüber hinaus, begründeten seine einzigartige, nahezu hypnotische Wirkung auf Musiker und das Publikum. Dass die Musik, und nur die Musik, den Raum füllen, und ihren wahren Gehalt entfalten konnte, zeichnete sein Ringen aus. Auf dem Hochseil, immer die Fallhöhe vor Augen, folgte er bedingungslos der Intention des Komponisten. Er hatte verinnerlicht, dass diese nicht verhandelbar, sondern zu schützen ist. Ich hörte ihn sagen: “Wenn sie einen Schmetterling berühren, ist es vorbei mit seinem Flug“.
Fliegen um anzukommen.... Anzukommen in einer Sphäre, in der das Eigentliche geschieht, Spiegel aufscheinen, Erkennen und Wiederfinden möglich werden.
Mit dem Anspruch, den Aussagen, dem Extrakt der Kompositionen zu begegnen, ihnen ihre Leuchtkraft zu entlocken, ist Kleiber „geflogen“ – kompromisslos und verletzbar.
Sein Taktstock, nicht selten wie eine Wünschelrute züngelnd, führte in emotionale Dimensionen, die keinen Rückweg kennen.
Seine Nervosität vor Auftritten hat ihm (und seiner Umgebung) das „Hinausgehen“ nicht leicht gemacht. Der Beginn einer Vorstellung, zuweilen auch deren Fortsetzung, hing nicht selten am sprichwörtlich seidenen Faden. Anlässlich einer überwältigenden „La Bohème“ Aufführung bei den Münchner Opernfestspielen 1979 mit Mirella Freni und Luciano Pavarotti, geriet der frenetisch Bejubelte in der Pause derart ausser sich, dass bis zum 3. Klingelzeichen unsicher war, ob er wieder ans Pult zurückkehren würde. Seine Fassungslosigkeit über das zu frühe Einsetzen der Bühnenmusik am Ende des 2. Akts, welches einen deftigen „Schmiss“ zur Folge hatte, jagte der verantwortlichen Umgebung kalte Schauer über den Rücken – ebenso die Verzweiflung in seinen Augen.
Der Schockmoment, als Kleiber 1976 an der Mailänder Scala anlässlich der „Otello“-Premiere die üblen Beschimpfungen der „Loggionisti“ abwartet, und dann im einzig richtig-möglichen Augenblick den Taktstock zum 3. Akt hebt, ist dokumentiert (youtube).
Eine Ahnung davon, was in jenen Sekunden in ihm vorgegangen sein muss, verrät sein Gesicht.
Fern aller behäbigen Selbstsicherheit, sein Gang zum Pult: immer wieder aufs Neue habe ich seine Überwindung dieser Meter wie ein „Erstes Mal“ empfunden. Eilige Schritte, in einer Mischung aus Zerbrechlichkeit, Hochspannung, und dem Fügen in das Unausweichliche.
Und dann die sofortige Befreiung mit dem ersten Ton! Das bitter-herbe Flimmern des Traviata-Preludios, der explodierende „Champagnerkorken“ der Fledermaus-Ouvertüre, die gleissend-zündende „Carmen“-Initiale, der Otello-Furor, die sehnende Glut des Tristan-Vorspiels, oder der mitreissend-oszillierende Schwung des „Rosenkavalier“-Beginns: Welten öffneten sich!
Warum klang alles wie zum ersten und letzten Mal? So unwirklich, weil wahr?
Nur Annäherungen an diese Fragen scheinen möglich....
Seismographisch genau wirkte Kleibers Fähigkeit, das Wesentliche, die Aussage einer Oper oder Sinfonie zu erkennen und freizulegen. “Spüren, was gemeint ist“. Die Authentizität der Inhalte konnte er Sängern und
In dem von Kleiber so unvergleichlich dirigierten „Rosenkavalier“ war dieses Changieren beispielsweise ständig spürbar: unerreicht, wie er den oftmals kaum beachteten „Small-Talk“ der Figuren strukturierte, mit Tempo versah und plastisch ins Geschehen einband. Das Glitzern, den „ewigen Schnee“ - wie er die Musik nach der Überreichung der silbernen Rose während einer Probe einmal nannte - den Herbstwind der Vergänglichkeit, den deftigen Humor des Ochs und seiner Bagage, die Walzer und Falltüren, den Glanz dieser wunderbaren Oper – er hat sie zum Klingen gebracht wie kein Anderer!
Nicht auszudenken, hätte Carlos Kleiber Opern wie Don Giovanni, Fliegender Holländer, Tosca, Gianni Schicchi, Salome oder Bajazzo dirigiert. Auch Don Juan oder Till Eulenspiegel von Richard Strauss wären jede Reise wert gewesen....
Die akribisch von ihm eingerichteten Orchestermateriale, die „Wunschzettelchen“, welche er oftmals den Musikern vor einer Vorstellung auf die Pulte legen liess, waren ihm wichtig. Sie waren Ausgangspunkt für das Miteinander.
Seiner eleganten Gestik konnte sich dann vollends keiner mehr entziehen! Die völlig unabhängig agierenden Hände, ebenso präzise wie suggestiv gestaltend, Zartheit wie strömende Energie vermittelnd, konnten das Unsagbare übertragen, Zwischenräume öffnen.
Bei aller Gewissenhaftigkeit und minutiösen Sorgfalt, mit welcher er sich den Partituren verband, war bei der Ausführung über allem jene Schwerelosigkeit zu spüren, die er in sich trug.
„Haben Sie das Konzert mit Dany Kaye und New York Philharmonic gesehen?“ fragte er mich einmal. „Wunderbar, wie er dirigieren kann – so leicht...“
Kleiber hatte Humor. Wie mit dem Florett serviert, konnte er mit blitzschnellen Bemerkungen Heiterkeit verbreiten, die Dinge treffend auf den Punkt bringen.
Berühmt wurde sein (im Spiegel abgedruckter) genialer „Brief aus dem Himmel“ an Sergiu Celibidache, mit der Überschrift: „Wo du hinkommst, wird besser gekocht“.
Dem Musikkritiker Joachim Kaiser schrieb er eine seiner gern verschickten Postkarten. Jener hatte Carlos Kleibers Aufnahme der 5. Sinfonie von Beethoven mit der seines Vaters, Erich Kleiber, verglichen und schrieb als Resümee: „Wenn Kleiber, dann Erich“.
Darauf Carlos Kleiber: „Wenn Richard, dann Wagner – wenn Strauss, dann Johann – wenn Kaiser, dann Schmarrn“.
Anlässlich einer „Traviata“-Probe an der MET ärgerte sich der Sänger des Germont, Wolfgang Brendel, zunehmend über technische Pannen und Unruhe auf der Bühne, worauf ihm Kleiber zurief: „Wolfgang, was regst du dich auf ? Wir sind in einem Indianerland“.
In der Kantine der Bayerischen Staatsoper erlebte ich folgende Begebenheit: ein Musiker des Bayerischen Staatsorchesters wollte mit Kleiber Termine für anstehende Proben einer Konzerttournee abklären. Übereifrig und beflissen versuchte er, die von Kleiber gewünschten Probezeiten etwas zu reduzieren, bzw. Termine zu tauschen. Das Gespräch geriet immer mehr in die Enge, der Musiker insistierte immer penetranter, worauf Kleiber auf einmal sagte: „Reden Sie ruhig weiter, ich hör Ihnen schon lang nicht mehr zu“.
In selbiger Kantine lud Kleiber übrigens bei jeder Fledermaus Silvester-Vorstellung das Bayerische Staatsorchester zum Champagner (nicht Sekt!!) ein. Und zwar nicht Glas – sondern Kistenweise...
Augen-Blicke, die nicht verblassen –
Im 3. Akt des „Rosenkavalier“ bekreuzigte sich Kleiber üblicherweise vor der berüchtigt schweren Passage „Zur Stelle“ (Partitur ab Ziffer 156)
Oft stand zum 2. Akt ein Wasserglas auf seinem Pult; bei Faninals Frage: „Ein Wein? Ein Bier? Ein Hypokras mit Ingwer? nahm er meist einen Schluck und prostete dem Sänger des Ochs zu.
1976 kam es in München mit dem Dvorak Klavierkonzert zur Zusammenarbeit mit Sviatoslav Richter, Kleibers einziger Aufnahme für EMI. Aufgenommen wurde im Festsaal des ehemaligen Bürgerbräukeller, der wegen seiner geeigneten akustischen Voraussetzungen über viele Jahre hinweg ein beliebter Aufnahmeort war. Kleiber und Richter, in einem mit Löwenbräu-Fahnen behängten, nach Bier und kaltem Rauch riechenden Saal agieren zu sehen, war die Skurilität pur! Die Sitzungen verliefen in merklicher Anspannung, zumal Richter von dem immer wieder hörbar knarzenden Klavierstuhl irritiert war, und ihm auch der anwesende Klavierstimmer nicht behagte.
Immer wieder kam es zu Unterbrechungen, Richter verliess wortlos den Flügel, lief den langen Saal ab, setzte sich dann wieder und führte den Take kommentarlos fort. In einem der Aufnahmetermine, als sich die Stimmung einem bedenklich porösen Punkt näherte, flog plötzlich eine der grossen Flügeltüren auf, zwei Bierfahrer in Unterhemd standen in der Tür und riefen, ob sie hier mit der Bierlieferung richtig seien, worauf das ganze Orchester in schallendes Gelächter ausbrach. Die Gesichter von Richter und Kleiber in diesem Moment hätten für die Ewigkeit festgehalten werden müssen....
Kleibers „Tristan“ Dirigate von 1974 bis 1976 auf dem Grünen Hügel, gerieten zur Legende.
Gefilmt im Bayreuther Orchestergraben, existiert ein überwältigender Video-Mittschnitt des „Liebestod“. Was hier zu sehen und zu hören ist, entzieht sich jeder Beschreibung. Der tönende Kosmos der Tristan-Partitur selbst leuchtet hier in einem Glanz, einer Sehnsucht und Schwerelosigkeit, die das Hier und Jetzt in weite Ferne entschwinden lässt. Die Einzigartigkeit von Kleibers Dirigier-Gestik, seiner Ekstatik, seiner an alle Fasern angeschlossene Elastizität, ist in dieser Aufzeichnung sehr klar zu erkennen. Wie unter Wasser, gleitend, mit immer länger werdenden Armen lenkt dieser Ausnahme-Dirigent das Geschehen, läuft die Musik ihrer finalen Verklärung zu.
Der von mir so benannte „Silberglanz“-Akkord, (Partitur Ziffer 284) der in jeder „Rosenkavalier“-Aufführung mit Carlos Kleiber wehmütig-schillernd die Zeit stehen liess, hat nie aufgehört in mir zu klingen... Er ist ein unverlierbares Geschenk geblieben! Zwischen dem (tonlosen) „Gar nix“ der Marschallin, und dem Diadem des Terzetts steht dieser Klang (ein „gewöhnlicher“ Dominantseptakkord auf As) in seiner unerklärlichen Reinheit, seinem Zauber.
Beides war Carlos Kleiber überreich mitgegeben.
Am 13. Juli 2004 ist er gegangen. Die Sterne, nach denen er gegriffen, und welche er so kostbar funkeln lassen konnte, hat er zurückgelassen...
Erstmalig erlebte ich Carlos Kleiber anlässlich einer „La Traviata“- Vorstellung im Herbst 1976 an der Bayerischen Staatsoper, München. In den folgenden 12 Jahren, bis zu seiner letzten „Fledermaus“-Vorstellung im Jahr 1988, besuchte ich die meisten seiner Aufführungen an diesem Haus. Es waren: La Traviata, Rosenkavalier, Fledermaus, Otello und La Bohème. Ausserdem hörte ich einige Konzerte und Proben mit dem Bayerischen Staatsorchester unter seiner Leitung (darunter die einzige von ihm dirigierte Aufführung der „Pastorale“), sowie das „Silvesterkonzert“ am 31.12. 1989 mit den Wiener Philharmonikern und die „Rosenkavalier“-Vorstellung am 21. März 1994 an der Wiener Staatsoper. Für das zweite Konzert mit den Berliner Philharmonikern im Jahr 1994 hatte ich keine Karte mehr bekommen, sie wurde mir wie durch ein Wunder 1 Minute vor Konzertbeginn geschenkt! Das Programm enthielt Beethovens Coriolan Ouvertüre, die Mozart Sinfonie KV 319 und die Vierte Sinfonie von Brahms.
Jede der Aufführungen mit Carlos Kleiber hat einen unvergesslichen Eindruck bei mir hinterlassen. Mehr noch: ihre Wirkungen und Klänge begleiten mich bis heute.
Daniel Beyer
Attersee – August 2019
Meinem Vater zum 80. Geburtstag
„Ohne Musik wär’ alles nichts“ (Mozart)
Lieber Jubilar!
Du wirst es kaum glauben, aber auch bei uns hier
oben gibt es so etwas wie einen Stammtisch.
Du wirst es kaum glauben, aber auch bei uns hier oben gibt es so etwas wie einen Stammtisch. Als wir unlängst beisammen sassen meinte unser Nestor, der gute alte JOHANN SEBASTIAN, bei einem uns wohlbekannten Musiker in München stünde demnächst ein runder Geburtstag an, ein ziemlich runder sogar, und dieser Tag – zweimal skandierte er das Datum mit sächsischer Bestimmtheit – solle unsererseits nicht sang- und klanglos verstreichen. Gratulation sei angesagt, und die nicht zu knapp. Schliesslich hätten wir allen Grund dazu, denn wir seien (ausnahmslos) sehr stolz auf Dich, und das solltest Du nun auch mal wissen!
Ausgerechnet IGOR, der gerade in eine himmlische Weisswurst biss, musste natürlich wieder witzeln: “Das Geheimnis des Glücks ist es, statt der Geburtstage die Höhepunkte des Lebens zu zählen“ meinte er süffisant. Der pikierte Blick von JOHANN SEBASTIAN, begleitet von einer etwas schnoddrigen Bemerkung über IGOR`S horrendes Honorar der „Psalmen-Sinfonie“ , liess seine Brillengläser indes ein wenig beschlagen, und ihn rasch zum Ursprung unserer gemeinsamen Absicht zurückkehren. Seine zu recht gestellte Frage, wie man denn zu gratulieren gedenke, löste vorübergehend eine gewisse Unschlüssigkeit aus, zumal unser aller persönliches Erscheinen ohne Vorwarnung mit Sicherheit die Küche des Jubilars überfordern würde, wie der gute REGER MAX schnaufend meinte und mit der Bemerkung über seinem Sauerbraten versank, die Sossen würden in letzter Zeit auch hier oben immer dünner.
Im Hinblick auf die weite Reise sei ausserdem das doch recht fortgeschrittene Alter der meisten Gratulanten – JOHANN SEBASTIAN wird am 21. März immerhin rüstige 316 – sowie der Kostenfaktor zu bedenken. Eine Senoirenermässigung himmelabwärts wurde von unserem obersten Leitungsteam bisher nämlich nicht für effizient befunden.
Schliesslich meinte der gütige HAYDN, man solle doch den nach München schicken, der mit dem Jubilar beruflich bisher am engsten zusammengearbeitet habe, worauf eine etwas eigenartige Pause entstand welche ich offengestanden dazu nutzen wollte, den Tisch einmal kurzfristig zu verlassen. Aber dazu kam es nicht mehr: Ich hatte mein Hinterteil noch nicht von der Bank erhoben, da riefen alle in dröhnendem Unisono: WOLFERL, DU !!!
Mein verdutztes G`schau, sowie der Versuch eines zaghaften Einwandes ging bereits im allgemeinen Gläserklingen unter und insgeheim dachte ich: „Ja, warum eigentlich nicht ich?“ Wir kennen uns mittlerweile erstaunlich lang, und der Zeitpunkt könnte besser nicht sein, Dir endlich einmal aus meiner Sicht ein wenig zu erzählen
Fangen wir einmal damit an, dass ich ja nicht einmal halb so alt wurde, wie Du jetzt bist. Zugegeben, meine letzten Tage in Wien habe ich nicht in der besten Erinnerung – es ging auf einmal doch alles sehr schnell. Ich weiss natürlich, dass später viel darüber gesprochen und gerätselt wurde wie es mir möglich war, in 36 Jahren (genauer: in 30 Jahren, denn ich begann das Komponieren mit 6) eine solche Fülle von Musik zu komponieren, noch dazu in den verschiedensten Gattungen. Meine ehrliche Antwort ist: Ich weiss es nicht. Alles fiel mir von Anfang an nicht schwer, und das Komponieren selbst erlebte ich eher wie das Ordnen und Proportionieren von bereits vorhandenem Material. Die Mühelosigkeit der melodischen und harmonischen Einfälle, sowie die Kontraste des Bitter-Süssen bedrängten mich zuweilen fast. In meiner Musik hingegen, ist von Mühen nicht viel zu spüren – eher von Gefühl. Das finde ich wichtig.
In Einzelheiten möchte ich mich jetzt nicht verlieren, denn Du kennst mein gesamtes Werk, und Deine Gäste wären über längere Ausführungen vielleicht etwas gelangweilt. Nur soviel: Dass das „Requiem“ nicht fertig wurde war wirklich nicht meine Absicht, und es tut mir sehr leid, dass Dich die Fertigstellung immerhin 40 Jahre beschäftigt hat. Das wollte ich nicht! Hätte ich noch 3 Monate gehabt, dann hättest Du Hobbies pflegen können wie andere Musiker auch: Den Segelschein machen, abstrakt in Öl Malen, eine Schmetterling-Sammlung anlegen, Mountain-Biken in der fränkischen Schweiz, oder einfach mal mit der Familie an den Titi-See fahren...
Naja, aber was wäre Dein Leben ohne mein unfertiges „Requiem“ gewesen? Ohne 3.Posaune und „Quam olim Abrahae“, Stimmführungs- und Instrumentationsfragen, Ärger mit dem schweizer Verleger, der den richtigen Zeilenabstand und die Wendestellen einfach nicht kapiert, oder auch noch der Zoff mit UNITEL wegen nicht abgerechneter Tantiemen (ganz unter uns: Ich habe meine bis heute nicht gesehen). Wie hat ein deutscher Bundeskanzler immer gesagt: „Wichtig ist was am Ende dabei rauskommt“. So gesehen, haben wir beide bisher viel voneinander gehabt. Heute möchte ich Dir dafür danken, dass mein letztes Werk bisher und künftig nicht in Kitsch- und Weihrauch-harmonien, sowie mit einer Unzahl von Fehlern in den Kirchen und Sälen der Welt erklingen muss. Danke Franz, Du hast ganze Arbeit geleistet!
(Mal ganz ehrlich: Kein Komponist hätte es besser machen können, geschweige denn mit solch zäher Gewissenhaftigkeit – da hast Du mir manches voraus).
Übrigens meint das auch LENNY, mit dem ich neulich mal ein paar meiner Stücke vierhändig durchgespielt habe. Dieser BERNSTEIN ist nebenbei gesagt ein teuflisch guter Pianist, und ich kam fast ein wenig ins schwitzen, ihm standhalten zu können. Er roch ein bisschen nach Whisky und trägt scheinbar sehr gerne Salzburger Janker – ein sympathischer Kerl! Er liess mich nicht ohne das Versprechen gehen, dem „Eulenspiegel“ in München seine besten Glückwünsche auszurichten.
Um die Sache abzuschliessen: Wichtig ist, dass durch Deine Arbeit das Werk wieder aufführbar geworden ist (wie der brillante LORIN MAAZEL treffend bemerkt hat). Ich persönlich schiebe auch keinen Groll gegen SÜSSMAYER, SALIERI und Konsorten. Was hätten sie anderes machen sollen? SALIERI nennen hier übrigens alle „Toni“ und ich muss sagen, so übel wie sein Ruf ist er gar nicht. Er ist sogar ausgesprochen hilfsbereit und lässt mir ab und zu den Vortritt bei gemeinsamen Bootsfahrten. Die Musik hat er völlig aufgegeben um sich voll und ganz auf seine Tätigkeit als Fährunternehmer zu konzentrieren.
Dabei ist er recht mollig geworden, denn seine Vorliebe für süsse Naschereien ist er auch hier oben nicht losgeworden. Wenn ihm die „Venusbrüstchen in Vanillezucker“ wieder einmal ausgehen, schnorrt er gerne mal ein paar Mozartkugeln bei mir. Du musst wissen: Die Firma Reber/Bad Reichenhall liess es sich nicht nehmen, mir eine Art Leibrente in Form von Mozartkugeln aufzudrängen.
So, nun möchte ich aber meinen Auftrag nicht versäumen, Dir die herzlichsten Glückwünsche und den Dank all meiner Kollegen auszurichten! Manche sind nicht wiederzuerkennen hier oben, wohingegen andere ihrer Eigenart sehr treu geblieben sind und ich dachte mir, vielleicht interessiert es Dich, ein bisschen über sie zu erfahren?
JOHANN SEBASTIAN wird von uns allen wirklich sehr verehrt. Trotz seines hohen Alters übt er noch jeden Tag und verfolgt sehr engagiert den Streit um den Bau der neuen Orgel in der Dresdner Frauenkirche. Auch arbeitet er an einer neuen Orgelschule, die ganz auf den Geheimnissen der Zahlensymbolik basiert. MAX REGER hilft ihm bei der Ausarbeitung meinte aber neulich auf gut bayrisch zu mir: „Da blickt keine Sau durch!“
LUDWIG VAN begegnet man hier mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist er sehr humorvoll und ein brillanter Unterhalter auf Einladungen, andererseits bringt er uns alle mit seiner Besessenheit bezüglich der richtigen Metronomisierung seiner Werke fast zum Wahnsinn. Eine japanische Firma hat ein digitales Metronom für ihn entwickelt vor dem er Tag und Nacht sitzt.
Seine Laune ist aber auf den Tiefpunkt gesunken seit er festgestellt hat, dass nun zwar alles richtig metronomisiert ist, er aber seine eigene Musik nicht mehr wiedererkennt. Trost und Ausweg aus dieser absurden Lage scheint ihm in letzter Zeit ein ehemals Wiener Pianist zu sein, den er FRITZ ruft. Es wird zwar auch hier oben nicht gerne gesehen dass er nur nackt spielt, aber BEETHOVEN meint, er sei der einzige, der messerscharfen Rhythmus und Swing vereinen könne, und dazu noch Punkt und Keil unterscheide. Beim Zusammenräumen der Noten kam es kürzlich zu einer wirklich unnötigen Peinlichkeit, als nämlich dem Pianisten eine CD mit dem Titel „Gulda spielt Mozart“ aus der Mappe fiel, war LUDWIG VAN 3 Tage vor Wut nicht ansprechbar. Erst ein Karpfenessen auf meine Kosten und eine Flasche „Schloss Vollrads Riesling“ brachten ihn wieder zum Schmunzeln. Er hört übrigens wieder ausgezeichnet, wie ich beim Zahlen der Rechnung bemerkte. Weil ihm die Summe sehr günstig vorkam, bestellte er aus Trotz noch einen Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster. Als ich ihm am Schluss in den Mantel helfen wollte fauchte er: „Lass die Faxen“. Was wären wir ohne ihn...
Das sieht auch der FRANZL SCHUBERT so, mit dem ich neulich beim Heurigen sass. „Ohne den LUDWIG VAN würden wir ganz schön alt ausschauen“. Sagt ausgerechnet der SCHUBERT, der mit 30 Jahren das Pensum eines 70 jährigen hinterlassen hat. Am meisten freut mich für ihn, dass er jetzt einen phänomenalen Steinway hat, und die Zeiten als er kein eigenes Klavier besass, ferne Erinnerung sind. Er hat eine recht schicke Wohnung am Kahlenberg, und kann die wichtigen Heurigen alle zu Fuss erreichen, was für ihn nicht ganz unwichtig ist. Wie ich nämlich bei unserem sümpfelnden Nachmittag gemerkt habe, ist er auch beim Wein ein Fachmann für „himmlische Längen“. Mir hat er gestanden, dass es für ihn das Grösste sei, ohne Zeitdruck einfach so sitzen zu können. Ein Gefühl, das er ein Leben lang nie hatte. Sehr beeindruckt ist er wohl von einem Tenor der den Vornamen KARL hat. In letzter Zeit haben sie intensiv an der „Schönen Müllerin“ gearbeitet und FRANZ meinte, dieser Schwabe käme seinen Intentionen sehr nahe. Nach den Proben lassen sich die beiden übrigens Unmengen von Maultaschen mit gedünsteten Zwiebeln schmecken.
Wenn sie Glück haben, kommt gelegentlich FELIX vorbei und lädt sie am Ende ein. Er ist ein wirklich sehr beliebter und dazu noch attraktiver Kollege! Gleich nach seiner Ankunft hat er eine Filiale seines elterlichen Bankhauses hier eröffnet mit dem Hinweis, dass wir hier oben nie mehr finanzielle Engpässe zu befürchten hätten. In den ersten Wochen nach der Eröffnung war ständig ein recht gedrungener, stark sächselnder Kollege mit einem mächtigen Samtbarett um MENDELSSOHN herum. Wir alle nehmen an, er hat erreicht was er wollte... (FELIX hat darüber nie gesprochen). Seine Sommernachtstraum-Musik ist wirklich ein Wurf, und auf unserem jährlichen Sommerfest immer der krönende Abschluss. Traditionen haben ja auch was Schönes!
Ich geniesse es immer wieder aufs Neue, nicht mehr in klapprigen Kutschen sitzen zu müssen, sondern meist zu Fuss unterwegs zu sein. Dabei treffe ich öfters auf JOHANNES, der ein geradezu fanatischer Spaziergänger ist und für gute Zigarren meilenweit läuft.
Als BRAHMS ihn unlängst nach einer Probe ein wenig frozelte, das Üben sei auch hier oben erlaubt, gab es ein paar Tage recht dicke Luft, und ich meine den Satz gehört zu haben: „Dann spiel doch Deinen Kram allein oder wende Dich an Schuppanzigh“. BRAHMS lud STRUB daraufhin (allerdings bei sengender Hitze) in ein nobles Gartenrestaurant ein und liess eine Flasche Bordeaux entkorken. Die Folge davon war, dass beide noch am Tisch einschliefen. Der Frieden aber war wieder hergestellt. BRAHMS ist überhaupt ein sehr gutmütiger Charakter und sagte mir unlängst, die ganze Polemik zwischen BRUCKNER und ihm sei damals in Wien künstlich geschürt worden, gemäss dem dortigen Motto: „Immer mal wieder ein Schäuferl nachlegen“. Ich weiss nur zu gut wovon er spricht, und hab` damit ja auch meine Erfahrungen in der „Weaner“ Stadt machen müssen....
ANTON ist aber auch ein spezieller Fall. Er versetzt uns alle seit Wochen in helle Panik, denn er plant eine komplette Neufassung seiner 9 Sinfonien, und das unter Berücksichtigung sämtlicher vorliegender End- und Mischfassungen. Die Universal-Edition Wien, vertreten durch die Herren Nowak und Brosche, hat eine Zusammenarbeit mit BRUCKNER bereits energisch abgelehnt. Diese Nachricht hat sein instabiles Selbstbewusstsein nahezu völlig zur Strecke gebracht. In seiner Not hinsichtlich des Umgangs mit Verlegern, hat er sich jetzt an WAGNER gewandt, der gerade damit befasst ist die Rechte seiner „Ring-Tetralogie“ zum insgesamt siebenten Mal zu verkaufen – an den Meistbietenden. Versteht sich... Wie zu erwarten, brachte RICHARD das Fass zum überlaufen als er mit erhobener Faust in dickem Sächsisch donnerte: Die Halunken kenn` ich schon! Nur Mut Freundchen, un nich kleen beigeben! Wo Bruckner draufsteht muss auch Bruckner drin sein – und zwar in Schweinsleder gebunden!! Alles eine Frage des Selbstbewusstseins!!!“
Daraufhin bekam ANTON fast einen Nervenzusammenbruch und weinte kläglich wie ein kleiner Schulbub. Er schleicht mir jetzt des öfteren hinterher und meint, es sei doch letztlich alles auch eine Frage der Proportionen, und davon hätte ich doch viel Ahnung. Er tut mir schon ein bisschen leid, zumal seine äussere Erscheinung recht zerstreut wirkt. Kürzlich lief er tagelang mit nur einem Hosenträger herum, da er mit dem zweiten irgendwelche Manuskripte zusammengebunden hatte. Er sagte mir neulich, dass er die Aufführung seines Streichquintetts mit dem Melos-Quartett und Dir masstäblich empfand. Dies sei aber nur seine ganz bescheidene Meinung...
Letztlich sind alle besonders nett zu ihm; schliesslich hat er seine 9. Sinfonie ja auch unserem obersten Vorstand gewidmet, und der hält viel von dem Stück.
Manche hier oben gehen einfach ihre ganz eigenen Wege, beispielsweise der GUSTAV. Mit BRUNO WALTER sah er sich in den letzten Wochen mehrfach einen Film über die Tonsprache der Galaxien an und war ganz begeistert. MAHLER plant nämlich ein Pendant zu seinem „Lied von der Erde“. Der Arbeitstitel lautet „Harmonie der Galaxien“ und sieht ca. 6.200 Mitwirkende vor. Als er BRUNO WALTER eröffnete, er sei selbstverständlich als Uraufführungs-Dirigent vorgesehen, setzte dieser sein sparsamstes Lächeln auf und verwies auf seine latente Herzschwäche. Wirklich ein liebenswürdiger Musiker; und ich finde, meine „Prager“-Sinfonie kann er besonders schön zum Klingen bringen.
Leider kann ich mich ja bis heute nicht für das Skatspielen erwärmen, welches mir oft die Gelegenheit bieten würde, mich mit RICHARD STRAUSS an einen Tisch zu setzen. Er ist ein wirklicher Könner seines Fachs, ausserdem breit gebildet und ausnehmend humoristisch. Neulich nahm er mich (nach einem ausgezeichneten Schwammerlessen) beiseite und meinte, er habe sich auch einige Zeit heimlich mit der Fertigstellung des „Requiems“ befasst. In gutem Münchnerisch sagte er: „ Als i dann aber g`merkt hab`, dass i die Posaun im Tuba mirum durch 3 Wagnertuben und ein Kontrafagott ersetzen woll`t, hab`i`s lassn“. Er macht mir übrigens die grössten Komplimente, besonders für „Cosi fan tutte“ die der Beweis dafür wäre, wie man aus Nichts eine Kostbarkeit machen könnte. Naja.... wenn er meint....
Lieber Jubilar, nun hab` ich Dich ziemlich aufgehalten, und komme daher jetzt auch zum Ende, welches mir in meinen Werken meist sehr gut gelungen ist weil ich so genau spüren konnte, wann`s genug ist. Heute fällt es mir aber gar nicht leicht, einen Schluss zu finden – vielleicht weil es keinen gibt? Ich und all die andern sind jedenfalls nicht aus der Welt, dass solltest Du nie vergessen. Wenn Du wieder einmal Fragen hast, dann melde Dich jederzeit. Wir wissen auch: „Was wäre von unserem ganzen Geschreibsel erhalten geblieben ohne Typen wie Dich!“ Weil jedes Ende auch ein Anfang ist, fällt`s mir jetzt gar nicht schwer zu gehen!
Dein alter Freund
WOLFGANG AMADEUS
Daniel Beyer
Den 26. Februar, 2002
Interview
„Wie fraget ihr?“
(Meistersinger, 1. Akt)Interview mit dem Vorsitzenden des Richard Wagner Verbandes München Karl Russwurm,
und dem Dirigenten Daniel Beyer am 19. Juni 2020
KARL RUSSWURM (KR): Liebe Mitglieder, liebe Freunde der Kunst, der Kultur, der Musik und der Oper.
Herzlich Willkommen zu unserer Reihe .
Auch heute mit dabei: ein Zollstock, der den nötigen Abstand zu meinem Interviewpartner sicherstellen wird. Ich freue mich, den Dirigenten Daniel Beyer begrüßen zu können, der dem Richard Wagner Verband München angehört und sich seit früher Jugend mit Richard Wagner beschäftigt. Herr Beyer, schön dass es geklappt hat. Auch Ihr Terminkalender ist Pandemiebedingt stark ausgedünnt, sodass sich mehr Freiräume für Sie ergeben, zb. auch für das heutige Gespräch. Zunächst: Sie haben an der Staatlichen Musikhochschule München studiert, Violine, Klavier und Dirigieren. Sind Sie ein „echter“ Münchner?
DANIEL BEYER (DB): Fast - (lacht) - und ich möchte nicht drumherum reden: mein Herz schlägt bayrisch! Allerdings bin ich gebürtig aus Wuppertal, genauer: Elberfeld. Wie ich im Lauf der Jahre übrigens festgestellt habe auch der Geburtsort von Hans Knappertsbusch, Günter Wand, Horst Stein - und Marek Janowski hat dort seine Schulzeit und Jugend verbracht. Also wohl ein „Nabelnest“ - wie Mime gesagt hätte - für Dirigenten...
Als ich zwei Jahre alt war, wurde mein Vater auf eine Professur für Bratsche und Kammermusik an die Musikhochschule München berufen, was den Umzug unserer Familie in den Süden zur Folge hatte. Im Anschluss bzw. parallel zu meiner Schulausbildung habe ich ein Violinstudium an der Musikhochschule begonnen und einige Jahre eine Konzerttätigkeit als Geiger ausgeübt. Sowohl in einem von mir gegründeten Streichquartett, als auch als Gast bei in München ansässigen Orchestern. Ich möchte diese Erfahrungen, bis hin zu „Muggen“ in kalten Kirchen und Filmmusik-Aufnahmen nicht missen.
KR: Wann kam der „Switch“ für Sie, sich für den Beruf des Dirigenten zu entscheiden? Immerhin ja kein Entschluss den man mal so eben nebenbei fasst...?
DB: Diesmal werden vermutlich Sie lachen: es gab ein initiales Erlebnis für mich, und das war eine Aufführung des „Fliegenden Holländer“ an der Bayerischen Staatsoper die mich gepackt und nicht mehr losgelassen hat. Als das Licht ausging und der Dirigent herauskam, (der damals recht junge Leopold Hager) raunte mir mein Vater zu: „Das wäre doch auch ein Beruf“. Dieser Satz ist mir nicht mehr von der Seite gegangen und so habe ich den Kompass danach ausgerichtet. Natürlich konnte ich als 9jähriger nicht ahnen, welche kühnen Träume ich mir da in den Kopf gesetzt hatte. Sie sehen: schon damals hatte also Richard Wagner seine Finger im Spiel. Die Besetzung der Aufführung ist mir noch präsent wie wenn es gestern gewesen wäre: Heinz Imdahl war der Holländer, Ingrid Bjoner die Senta und Kurt Böhme der Daland. Die Inszenierung stammte von Hans Hotter (!) in traumhaft-stimmungsvollen Bühnenbildern von Schneider-Siemssen. Ich habe dann mit 13 Jahren Dirigierunterricht und Harmonielehre bei einem Privatlehrer genommen, und mich mit 15 Jahren als aktiver Teilnehmer eines 4wöchigen Dirigierkurses bei Otmar Suitner an der Sommerakademie des Salzburger Mozarteums im wahrsten Sinn des Wortes „durchgeschlagen“. Suitner war damals GMD der Staatsoper Berlin und hat mich nach einem längeren Briefwechsel zur Teilnahme ermutigt. Unvergesslich bleibt mir, wie er mir nach der Aufnahmeprüfung die aktive Teilnahme bestätigte und in seinen weissen Mercedes Cabrio mit DDR Kennzeichen einstieg.
KR: Sie sind nach Ihren Studien dann den „klassischen“ Kapellmeister-Weg gegangen. Alle Stationen kann ich nicht aufzählen, jedoch möchte ich manche herausgreifen die mir persönlich sehr am Herzen liegen: das Gärtnerplatztheater, die Theater von Chemnitz, Regensburg, und die Wiener Volksoper. Was fällt Ihnen zu diesen Theatern ein, was möchten Sie besonders hervorheben?
DB: Allen von Ihnen genannten Häusern habe ich wichtige, unerlässliche Erfahrungen zu verdanken, vor allem auch meiner Zeit als 1. Kapellmeister und stellvertretender GMD am Theater Ulm, wo ich von „Wiener Blut“ bis „Otello“ alle Hände voll zu tun hatte, übrigens mit einem sehr leistungsfähigen Orchester. Für jeden Kapellmeister schlägt die Stunde der Wahrheit im Operngraben, und es sind die zahlreichen unersetzbaren „Fallschirmsprünge“, um die Höhen, vor allem aber auch die Tiefen des Berufs kennenzulernen. Stücke, welche auf dem Papier geduldig und freundlich zurücklächeln, können am Abend zu einer wahren Slalomfahrt werden; Falltüren tun sich auf, wo man beim Studium nur blühende Wiesen sieht. Am Abend wird dann - speziell bei Übernahmen ohne Probe – schnell klar, auf welch dünnem Eis man sich bewegt. Ich habe vor Werken wie „Martha“ oder auch der „Lustigen Witwe“ gehörigen Respekt. Als ich meinen ersten „Otello“ dirigiert habe, bin ich anschließend 3 Tage ohne Zeit- und Raumgefühl gewesen.
Am Gärtnerplatztheater München ist mir besonders die herrliche „Nacht in Venedig“ Produktion von Ferucchio Soleri in bester Erinnerung, bei der man sich durch die zauberhafte Ausstattung schon selbst wie auf einer Fahrt mit der Gondel gefühlt hat. Chemnitz hatte ich zunächst als interessierter Besucher der hervorragenden Wagner und Richard Strauss Aufführungen wahrgenommen, bis ich dann selbst dort „Hänsel und Gretel“ und „Fledermaus“ dirigiert habe.
Das Theater Regensburg hat mich für ein Sinfoniekonzert eingeladen, welches mich mit der phänomenalen Geigerin Arabella Steinbacher zusammengeführt hat; eine spätere „Eugen Onegin“ Produktion kam leider nicht mehr zustande. Das Theater wurde restauriert, und zwar wunderschön.
An der Wiener Volksoper habe ich mit einer Aufführungsserie „Das Land des Lächelns“ debütiert und wie schon so oft in meiner Laufbahn, hat mir auch dort der ¾ Takt eine wunderbare Zeit beschert! Das Orchester kann spielen wie Samt und Seide, die Professionalität des Hauses ist sehr wohltuend, und einen Kollegen wie Alfred Eschwè, der speziell das „Wiener Repertoire“ im kleinen Finger hat, findet man weit und breit kaum noch. Er hat mich in sehr herzlicher und in kundiger Weise auf das „Glatteis“ entlassen, denn das bleibt nun mal jede Operettenaufführung, vor allem in Wien. Sie sehen, ich lebe noch....(lacht)
KR: Ihr umfangreiches Repertoire spannt einen weiten Bogen, Mozart und die Spätromantik bilden vielleicht einen Schwerpunkt. Sehe ich das richtig?
DB: Durchaus. Mozart ist und bleibt ein Lebenselixier. Die Beschäftigung mit seinem Werk eine ständige Prüfung der eigenen Person und musikalischen Glaubwürdigkeit. Bei jeder von mir dirigierten „Don Giovanni“ Aufführungen beispielsweise habe ich in den letzten 20 Minuten der Scena ultima den „Gluthauch“, das Eindringen des Universums in das reale Leben wie einen Schock erlebt. Mit dem Erscheinen des Komtur, dem d-moll Einschlag der Türe, ist von jetzt auf gleich Schluss mit lustig. Entweder - oder....
Mozarts Musik öffnet grenzenlose Räume. Tiefgang, Glück, Zuversicht und Trauer sind in einer ständigen Wechselbeziehung verbunden. Sie hält einem den Spiegel vor, vermittelt dem Musiker dabei gleichzeitig Selbstwert und Hoffnung – ein sehr seltenes Phänomen!
Dass er diese unfassbare Lebensleistung in nur ca. 30 Jahren schaffen konnte – dazu noch bei widrigen Umständen wie Kerzenlicht, ständigem Herumreisen und einer letztlich unverständigen und intriganten Mitwelt – bleibt unbegreiflich. Treffender wie Leonard Bernstein kann man es eigentlich nicht ausdrücken: „Mozart - ist der göttliche Mozart, und wird es immer sein. Nicht nur ein Name, sondern ein himmlisches Genie, das auf die Erde kam, dreißig und einige Jahre blieb, und als er die Welt verließ, war sie neu, bereichert, und durch seinen Besuch gesegnet.“
Sie haben recht, die Spätromantik nimmt einen größeren Platz meines Repertoires ein, dies hat aber ursächlich schlicht mit den Konzert-Angeboten und auch meinen eigenen Projektrealisierungen zu tun, dass da eine Menge zusammengekommen ist. Aber natürlich ist auch Johann Sebastian Bach ein ständiger Begleiter geblieben und - in allen Lebenslagen – das Alpha und Omega der Musik. Sein tönendes Universum hat Seinesgleichen nicht. Leider wird mit dem sogenannten „Originalklang“ Boom vor lauter Bäumen der Wald oftmals nicht mehr erlebbar, wie ich finde.
Ohne sentimental zu werden: ich habe Aufführungen mit dem inzwischen als „überholt“ angesehenen Karl Richter erlebt, die mir in ihrer Frische, Strenge und dichten Emotionalität bis heute ein Wegzeiger zu Bach geblieben sind....
Von der Wiener Klassik bis zu Strawinsky eine Auswahl oder Vorlieben zu nennen fällt mir sehr schwer. Es ist, wie über einen Markt oder Garten zu gehen: für welche Ware schlägt das Herz, welcher Blume gibt man den Vorzug? Jeder der großen, genialen Komponisten wird immer seine Faszination und Unergründlichkeit behalten. Je länger und intensiver man sich mit den Werken befasst, umso mehr kann man nur staunen – allein über die Schreibarbeit, meist bei Kerzenlicht und in schlecht geheizten Räumen entstanden – welche Werte uns hinterlassen wurden.
Speziell bei der Wiener Klassik sehe ich - im Gegensatz zum weitverbreiteten Trend – wenig Sinn dahinter die „Bürste gegen das Fell“ zu richten, und Gebrauchsanweisungen einzufordern, wie etwas zu phrasieren, rhythmisieren, und in welch genauem Tempo es zu spielen sei.
Niemand von uns war dabei - am aller wenigsten jene, welche am lautesten rufen und meinen, die Telefonnummer von Beethoven persönlich zu besitzen. Ich möchte hier nur ansprechen, dass die Freiheit des Musizierens, wie sie der Jazz laufend praktiziert, nicht einem trockenen Abspielen von Tönen mit dem Rechenschieber weichen sollte.
Wilhelm Furtwängler sagte einmal: „Die Klassiker schlagen zurück“. Daran ist viel Wahres.
Aggressivität und Provokation mögen etwas mit unserer Zeit zu tun haben, nichts aber mit Mozart oder auch Wagner – um zwei sehr unterschiedliche Komponisten zu nennen.
KR: Nun ist das Stichwort Wagner gefallen: Sie sind seit einigen Jahren Mitglied im Richard Wagner Verband München. Wie würden Sie das „Phänomen“ Richard Wagner beschreiben?
DB: Seine Wirkung und Faszination wird von Dauer sein, wie sie es bereits seit seinem Erscheinen in der Musikgeschichte gewesen ist. Selbst die ärgsten Widersacher oder auch Geprellten konnten sich seinem Genie nicht entziehen. Man denke nur an Hans von Bülow oder auch Otto Wesendonck. Wagners einzigartiger Kunstgriff, Stoffe der menschlichen Psyche und Weltgeschichte im Mythos zu verorten, ermöglicht seinen Opern die Ebene der Zeitlosigkeit. Damit hat er sich von allen Vorgängern - und übrigens auch den meisten Nachfolgern – weit abgegrenzt.
Die Inhalte selbst haben dadurch ihre Plastizität, Aktualität, und auch Brisanz stets behalten.
Dass er dabei, wie beispielsweise im „Ring“, mit mehreren Ebenen simultan arbeitet - der Götterwelt, der Menschenwelt und der Zwergen- bzw. “Unterwelt“ - ist einfach unfassbar genial, nimmt ja quasi schon die Technik des Films voraus. Mir persönlich ist übrigens bis heute die Tatsache nicht erklärbar, dass die von Wagner in all seinen Opern als tragendes Handlungselement miteinbezogene Natur ständig ignoriert bzw. gar nicht wahrgenommen wird. Für mich stellen die ständig präsenten Naturelemente eine sozusagen vierte Ebene dar, die zum Verständnis und Erleben der Aussagen und des Bühnengeschehens wesentlich ist. Mülltonnen, Bürolandschaften, Sänger in zerissenen Jeans oder clownesken Aufputzen, fäkalische Aktionen und noch weit Geschmackloseres, welches man seit Jahrzehnten auf den Bühnen über sich ergehen lassen muss, haben mit Wagner rein gar nichts zu tun! Hier ist ein Selbstbedienungsladen des sogenannten „Regietheaters“ ins Kraut geschossen, bei dem die Werke nur noch schlecht zu den Verfälschungen passen die ihnen laufend widerfahren. Wer im Restaurant Bordeaux bestellt, will keinen Urin ins Glas serviert bekommen... Es konnte mir bislang noch niemand schlüssig erklären, warum sich die Regie oftmals dem direktesten Weg verweigert, nämlich Wagners schon filmisch gedachte Optik zu veralbern, ihren Bezug zur Musik zu unterschlagen, in die Banalität zu transformieren und damit dem „Gesamtkunstwerk“ eine Pappnase aufzusetzen. Überall, schon fast militant rennt man dem „Originalklang“ hinterher, auf der Bühne aber regiert der Freistil! Dabei ist nun mal Szene und Musik im Werk Wagners wie Hand und Handschuh verbunden. Eine absurde, geradezu paradoxe Widersprüchlichkeit.
Die immense Wirkung, die Wagners Opern bei Ausführenden und Publikum auslösen kann, wurzelt natürlich in der singulären Sogwirkung seiner Musik. Die von ihm völlig neu entwickelte Klangsprache – Stichwort Leitmotivik und „endlose Melodie“ - bietet letztlich nur zwei Alternativen: entweder man ergreift nahezu panisch die Flucht, oder man ist ihr – um Klingsor zu zitieren - „verfallen“. Ein „dazwischen“, oder ein „bisschen“ ist mir in Bezug auf Wagner bislang nicht begegnet. Er polarisiert, und das nicht zu knapp. Dabei ist gut beraten, wer es damit hält sein (musikalisches) Werk von der Person zu separieren. Oder wie Leonard Bernstein über ihn sagte: „Den Menschen Wagner verachte ich, vor dem Komponisten Wagner knie ich.“
Dies bringt es auf den Punkt, dass einige persönliche Äußerungen, und leider auch jene hinlänglich bekannten antisemitischen Schriften Richard Wagner’s nicht zu entschuldigen sind und zu alledem noch durch die Nazis eine verheerende Vereinnahmung erfahren haben.
KR: Holländer, Lohengrin, Meistersinger, Ausschnitte aus der Walküre und Rienzi weist Ihr Repertoire auf. Welche Besonderheiten möchten Sie erwähnen?
DB: Holländer und Lohengrin konnte ich in verschiedenen Produktionen dirigieren. Die Meistersinger begleiten mich schon sehr lange und ich hatte das Glück durch mehrere Assistenzen, bei welchen ich auch Bühnenproben und Aktdurchläufe leiten konnte, in die Anforderungen „hineinzuwachsen“ - denn bei diesem gigantischen Umfang ist einfach auch die Frage der Einteilung und Kondition eine Grundvoraussetzung. In den Meistersingern lauern viele „Falltüren“ und nach dem 2. Akt, wenn sie die Prügelfuge ohne allzu großen Schaden überstanden haben, möchten sie eigentlich nur noch in das nächste Bierlokal verschwinden und sich der inneren Befeuchtung überlassen. Stattdessen steht Ihnen der 3. Akt bevor, der alleine schon so lange dauert wie die gesamte La Bohème oder Tosca.... Nun ja, was soll erst der Sänger des Hans Sachs sagen?
Beim Holländer ist sehr darauf zu achten, dass man die klangliche Balance in den Griff bekommt, denn die Instrumentation ist doch noch sehr „urwüchsig“ - vor allem in der Urfassung keine leichte Angelegenheit. Wagner war 29 Jahre als er diese umwerfend stringente und packende Oper „ans Land gespült hat!“
Anlässlich einer Lohengrin Aufführung am Staatstheater Cottbus erinnere ich daran, dass nach Lohengrins Ankunft und seinem „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan“ im gesamten Theater das Licht ausfiel. Wer da noch an „Magie“ zweifeln möchte.... (lacht)
KR: Weg von den einzelnen Werken, ein wenig hin zur Musik als Urkraft, als Lebensinhalt.
Pfingsten liegt ja noch nicht lange zurück – ohne theologisch oder Kirchen-kritisch zu werden:
Liegt nicht genau in der Musik der Pfingstgedanke, die Möglichkeit zur internationalen Verständigung, wie sie in der Schillerschen/Beethoven`s „Ode an die Freude“ als Wunsch und Utopie besungen wird?
DB: Wie gut, dass Sie diesen Gedanken einbringen und thematisieren. Mehr denn je wäre dem menschlichen Zusammenleben gewünscht, dass es sich auf Inhalte und Werte besinnt. Die Pandemie zeigt doch unmissverständlich, dass der Welt ein Wecker gestellt ist, dessen Läuten bislang verdrängt bzw. ignoriert wurde. Mit jedem Tag mehr sehen wir doch, dass der ganze überhitzte Konsumrausch zu nichts führt, die Einsamkeit beschleunigt und unglücklich macht, denn es besteht nun einmal ein fundamentaler Unterschied zwischen Sucht und Glück.
Wie Wagner sagt: „Des Goldes Herr ist des Goldes Knecht“. Es wäre also endlich ein „Aufwachen“ angesagt, bei dem die kulturellen Errungenschaften, welche letztlich die Identität einer Gesellschaft definieren wieder zu einem niveauvolleren und wertschätzenderen Umgang führen.
Hier ist von der Musik viel zu lernen. Nicht jeder kann gleichzeitig losspielen, ist nicht immer der Solist sondern hat eben auch Pause. Zuhören, Übernehmen, Weiterführen und gemeinsam statt gegeneinander zu agieren sind Grundvoraussetzungen des Musizierens. Wie viel lässt sich davon auf das tägliche Miteinander übertragen! Was das Medium Musik einzigartig macht ist die Verständigung - international – ohne Worte. Wie Viktor Hugo schon sagte: „Musik drückt das aus was nicht gesagt werden kann, und worüber zu Schweigen unmöglich ist“.
KR: Herr Beyer, ich konnte den Eindruck gewinnen dass Sie es sich mit der Vorbereitung Ihrer Engagements nicht leicht machen, anders herum gesagt: Sie bereiten sich intensiv vor. Wie verläuft dieser Prozess der Vorbereitung, schließlich haben Sie anders als ein Instrumentalist oder Sänger Ihr „Instrument“ nicht ständig verfügbar. Außerdem sind es doch oft sehr verschiedene.....
DB: ....Bedingungen und Voraussetzungen denen man gerecht werden muss. Das bringt mich auf den alten Witz: „Aha, sie sind Musiker, und was machen sie tagsüber?“ Nur wer selbst in diesem Beruf tätig ist hat eine Vorstellung davon, wie viel harte, zeitliche und disziplinierte Arbeit notwendig ist, um der Materie gerecht zu werden. Des Lernens ist kein Ende und die Internationalität hat uns alle zu „very best friends“ gemacht, somit den Druck erhöht. Man muss schon mit einem gehörigen Selbstvertrauen und Profil, starken Nerven und auch Ellenbogen in den Ring steigen um seinen Platz zu finden. Den Sensibleren, und oft viel wesentlicheren Musikern ist daher die gegenwärtige Szene eher unheimlich, hat sie sich doch von der ursprünglichen Absicht des Musizierens, Freude und Reflektion auszulösen teilweise recht weit entfernt. Karl Valentin sagt es einfacher: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“.
Klar ist: ohne Resonanz tappt man im Dunkeln, das Sender/Empfänger Prinzip bleibt eine physikalische Wahrheit und damit auch eine Grundbedingung menschlicher Verständigung.
Was will ich damit sagen? Entscheidend bleibt doch die Frage: warum und für wen mache ich Musik, was soll sie im Hörer möglichst bewirken? Gedudel aus allen denkbaren Kanälen haben wir täglich zuhauf, aber die Musik der „Stille“ ist es, die einen beschenkt und Räume öffnen kann.
Somit geht es darum, die Aussagen und wesentlichen Anteile einer Partitur vermitteln zu können.
Ich vergleiche das Erarbeiten einer Partitur – die Analyse, Kenntnis des Textes und der aufführungstechnischen Details sind Voraussetzung – gerne mit dem Kochen. Die Partitur ist das Rezept welches letztlich nüchterne Angaben enthält. Was heißt forte, was pp, wo beginnt ein 8 taktiges Crescendo, bis zu welcher dynamischen Skala soll es führen, in welchem Saal bei welcher Akustik mit welchen Orchestern etc? Geben sie 10 verschiedenen Köchen dasselbe Rezept, werden sie 10 verschieden Resultate bekommen. Nichts anderes erleben sie bei der Realisierung einer Partitur. Der Text bleibt für alle derselbe. Die Auslegung, Inspiration, Annäherung allerdings wird sehr verschieden ausfallen – hier helfen auch Metronomzahlen und Zeitangaben wie sie Bèla Bartok eingeführt hat wenig weiter sondern eigentlich nur das Motto welches Beethoven seiner Missa Solemnis mit auf den Weg gegeben hat: „Von Herzen möge es wieder zu Herzen gehen“.
KR: Wir nähern uns dem Ende unsers Gesprächs, allerdings würde mich noch interessieren:
Was geht in Ihnen – setzten wir den Idealfall voraus – während einer Aufführung vor?
DB: Der schmale Grad zwischen „Verkehrspolizist“ und „Adlerschwingen“ ist wohl jedem Dirigenten bekannt. Höhenflüge stellen sich dann ein, wenn ein gemeinsamer Dialog Fahrt aufnimmt und sich damit auch auf die Zuhörer überträgt. Das Gegenteil kann sehr frustrierend und auch anstrengend sein, vor allem wenn man schon bald bemerkt dass die „Chemie“ nicht stimmt und man aneinander vorbei agiert. Carlos Kleiber hat in solchen Situationen „den Karren laufen lassen“ wie mir immer wieder Musiker aus seiner Stuttgarter Zeit berichtet haben.
Neulich habe ich mit Schaudern einen Satz von Vladimir Horowitz gelesen, welchen er oftmals unmittelbar vor seinen Auftritten sagte: „Und nun gehe ich zum einsamsten Platz der Erde“.
Mir persönlich ist daran gelegen, dass man nach einer gemeinsamen Aufführung glücklicher auseinandergeht, als man vorher zusammengekommen ist.
KR: Letzte Frage: Trotzdem Sie Ihr Terminkalender mit wenig Freiräumen verwöhnt sind Sie Mitglied im Richard Wagner Verband München - ?
DB: Gegenfrage: warum sollte ich es nicht sein? Ich kann nicht allzu viele Veranstaltungen wahrnehmen, möchte aber meine Verbundenheit zum Ausdruck bringen und mich im Rahmen meiner Möglichkeiten einbringen, denn es soll ja weitergehen! Außerdem ist der Verein durch Ihre engagierte und kenntnisreiche Arbeit zu einem Forum interessierter „Wagnerianer“ geworden.
Kompliment Ihnen dafür! Auf dass der Verein auch künftig „blüh` und wachs!“
KR: Lieber Herr Beyer, ich danke Ihnen für das Gespräch, entlasse Sie aber nicht ohne unsere berühmte Komplettierung der folgenden 7 Halbsätze:
1) Wenn ich mir etwas im Traum wünschen dürfte wäre das...?
DB: ....von einem fliegenden Teppich, der es einem ermöglicht die Welt von oben zu betrachten in dem Moment zu landen, wo ein ideales Sängerensemble plus Regisseur für Mozart`s Figaro/Don Giovanni und Cosi fan tutte auftaucht, um sie innerhalb von 3 Tagen in einem wunderbaren Theater aufzuführen, und anschließend alle zu einem Gartenfest mit herrlichem Essen und Trinken zusammenkommen (ohne Masken und Regen)
2) An Wagner fasziniert mich im Vergleich zu Mozart und anderer Komponisten besonders...?
DB: ...dass er die Natur zum Klingen gebracht hat und diese ein wesentliches Handlungselement
seiner Opern ist. Außerdem die Verflechtung von Chromatik und „endloser Melodie“ und die daraus resultierende Wirkung seiner Musik.
3) An Mozart gefällt mir im Vergleich zu Wagner besonders...?
DB: dass er das Weinen lächeln, und das Lächeln weinen lässt.
4) Als GMD der Bayerischen Staatsoper würde ich...?
DB: ...am 1. Januar die „Meistersinger“ aufs Programm setzen, und am 2. Januar allen frei geben.
Außerdem Regisseure willkommen heißen, die dafür garantieren dass die Stücke noch erkennbar sind wenn der Vorhang aufgeht.
5) Ich möchte unbedingt einmal...?
DB: den „Ring“ einmal so erleben, wie er Wagner vorgeschwebt hat - (dürfte wohl eine Utopie bleiben)
6) In den letzten Wochen hatte ich endlich einmal Zeit...?
DB: ...meine Bibliothek zu ordnen, wieder mehr Klavier zu spielen und viel in der Natur zu sein.
7) Für die Zukunft wünsche ich mir...?
DB: ... wieder ein Leben ohne Masken, Gesundheit, und das Lebensglück mit meiner Frau zu teilen.
Die schönste aller Lohengrin Inszenierungen
„Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.“
"Die Fledermaus" - Johann Strauß
Albert Einstein, Entdecker der Relativitätstheorie und Nobelpreisträger für Physik ...
Albert Einstein, Entdecker der Relativitätstheorie und Nobelpreisträger für Physik, war ein großer Musikfreund und leidenschaftlicher Geiger. Anlässlich eines Hausmusikabends in Princeton hatter er Gelegenheit, mit dem legendären Wiener Geigenvirtuosen Fritz Kreisler Streichquartett zu spielen. Einstein, der die zweite Geige spielte, verursachte eine rhythmische Panne. Kreisler setzte die Geige ab, sah den irritierten Einstein an und sagte: „Was ist los, Professor, können Sie nicht zählen?“
*
Gast in einem Restaurant: „Herr Ober, das Schnitzel ist zäh!“
Ober: „Kein Problem, ich bringe Ihnen gerne ein schärferes Messer“.
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Ein weltbekanntes Orchester ist auf Israeltournee. An einem Ruhetag zwischen den Konzerten macht das Orchester einen Ausflug zum See Genezareth, wo sich die Musiker am Ufer sonnen.
Nur ein Bratscher hat sich abgesondert und unterbreitet seinem Gott, wie wenig Anerkennung er bei seinen Kollegen findet und wie sehr er unter ihrem Spott leidet: „Herr, ich will nicht mit meinem Schicksal hadern, aber tue auch Du einmal ein Wunder an mir. Lass mich über das Wasser gehen!“
Und Gott hört ihn. Der Bratscher steht auf, geht zum Ufer und schreitet über das Wasser.
Von weitem sehen ihn die Kollegen über das Wasser gehen. Da tippt der Konzertmeister dem Dirigenten auf die Schulter und zeigt auf den See: „Typisch! Noch nicht mal schwimmen kann er“.
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Der liebe Gott wandelt unerkannt auf Erden.
Plötzlich sieht er am Weg einen Mann sitzen der bitterlichst weint. Er setzt sich zu ihm und sagt:
„Guter Mann, was fehlt dir? Für alles gibt es Hilfe und ich kann dir sicher helfen“.
Da sagt der Mann unter heftigem Schluchzen: „ Nein, nein – mir kann niemand helfen, nicht mal der liebe Gott!“ Da gibt sich Gott in aller Pracht zu erkennen und sagt: „Nenn mir den Grund, und dir wird geholfen werden“. Da sagte der Mann tränenüberströmt: „ Ich bin Dirigent“.
Darauf setzte sich auch der liebe Gott nieder und fing bitterlich an zu weinen.
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Ein Mann steht vor einer Tierhandlung und liest das Schild: Hier finden sie außergewöhnliche Papageien. Er betritt den Laden und sieht wunderschöne Exemplare in den prachtvollsten Farben.
Er deutet auf den Papagei im ersten Käfig und frägt den Verkäufer: „Was ist außergewöhnlich an ihm?“ Der Verkäufer: „ Er ist hochtalentiert, pfeift mühelos die Arien der „Königin der Nacht“ und beherrscht Schillers „Glocke“. Für 2.000.- Euro gehört er ihnen“
„Und dieser?“ Der Kunde deutet auf einen weiteren Papagei, der Preis am Käfig ist mit 5.500.- Euro angegeben. Der Verkäufer: „Ein wahres Multitalent! Pfeift sämtliche Arien des Belcanto-Fachs in den jeweiligen Stimmregistern, transponiert falls gewünscht, und hat sämtliche Taktwechsel von Strawinskys „Sacre du printemps“ fehlerlos parat.“ Der Kunde staunt....
Ein weiteres Exemplar in einem vergoldeten Käfig ist mit 13.000.- Euro ausgestellt. Blau-orange und hellgrün schillert er besonders schön.
„Und was können sie mir zu diesem sagen? Der Preis ist ja recht stolz!“
Der Verkäufer: „Zu Recht!! Es handelt sich um ein Unikat aus der direkten Nachfahrenslinie von Richard Wagners legendärem Papagei „Feps“. Er beherrscht sämtliche Leitmotive des „Ring“ chronologisch und auch in umgekehrter Reihenfolge, bewältigt Siegfried und Tristan hintereinander und hat ein philosophisches Traktat zum Thema Wagner/Nietzsche in Rätselform entwickelt.
Außerdem ist er ein wahres Rechengenie - wohlgemerkt immer zu Ihren Gunsten.
Der Kunde ist fassungslos, überlegt. Dabei fällt ihm weiter hinten im Laden in einer Ecke ein zerzauster, unansehenlicher und mürrisch dreinblickender Papagei auf. Er liest den Preis auf dem Käfig, traut seinen Augen nicht: 46.000.- Euro! Irritiert frägt er den Verkäufer: „Bitte, was kann denn dieser Papagei? Dem Preis nach müsste er ja....?“ Der Verkäufer errötet, stiert auf den Boden und schweigt. „Na? Was können Sie mir denn zu ihm sagen?“ fragt der Kunde nach.
Der Verkäufer atmet durch, sieht den Kunden an und sagt:
„Dieser kann überhaupt nichts. Aber die anderen 3 sagen „Maestro“ zu ihm.“
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Herbert von Karajan mit dem Sonderzug auf der ersten Deutschlandreise nach seiner Wahl zum Chef der Berliner Philharmoniker. Der Zug hält in Bielefeld. Karajan sieht aus dem Fenster und sagt: „Bielefeld, da hab ich mich auch mal beworben – nicht mal eine Antwort hab ich bekommen.“
Darauf sein damaliger Agent Berry trocken: „Vielleicht probieren Sie es jetzt nochmal....“
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Karl Böhm wird bei einem Japangastspiel in den 1960er Jahren zu einem japanischen Essen eingeladen.
Der Versuch mit Stäbchen zu essen misslingt vollständig, worauf er recht entnervt meint: „Mit aam Staberl konnt i mi bisher gut ernährn, mit mit zwaa müsst i verhungern“.
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Eine ältere Dame sprach Richard Strauss nach einer Aufführung seines 1. Hornkonzertes an: „Das war ja wirklich erstaunlich! Macht der Spieler das alles mit seinem Mund?“ Strauss, ganz trocken: “Na das will ich doch sehr hoffen.“
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Ein Kapellmeister spricht Richard Strauss auf eine Stelle im 2. Akt seines „Rosenkavalier“ an:
„ Finden Sie nicht, diese Takte erinnern deutlich an Pfitzner?“. Darauf Strauss: „ Stimmt, genau die sind mir überhaupt nicht gelungen.“
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Kurz vor der Uraufführung seiner „Elektra“ saß Richard Strauss im Parkett der Dresdner Hofoper und verfolgte eine der letzten Proben. Da das bevorstehende Ereignis auch den Zuschauerraum in bester Verfassung präsentieren sollte, wurden – ausgerechnet in jener Probe - alle Stühle und ihre Polsterung überprüft. Geräuschvoll klappte der eingeteilte Mitarbeiter jeden Stuhl runter und wieder rauf, was Ernst von Schuch am Pult gehörig irritierte. Schließlich brach er ab und rief: „ Was soll das denn? Was sucht der Mann denn da im Saal?“ Darauf Strauss: „Einen Dreiklang!“
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Hans Knappertsbusch erschien meist sehr knapp vor Vorstellungsbeginn, Proben waren KNA außerdem lästig. Vor einer „Meistersinger“ Aufführung an der Bayerischen Staatsoper rief er dem Inspizienten auf dem Weg zu seiner Garderobe zu „Wer singt denn heute den Stolzing?“ Der Inspizient antwortete: „Der Windgassen“ KNA: „Was? Singt der immer noch?“
„Nein, Herr Knappertsbusch, es ist der Sohn“
Darauf KNA: „Was? Singt der auch schon..??
(Es handelte sich um Fritz und Wolfgang Windgassen)
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Sergiu Celibidache auf Gastspiel mit den Münchner Philharmonikern in seiner Heimat Rumänien.
Wie stets von ihm bevorzugt, lässt er sich die Gage in bar ausbezahlen, in rumänischer Währung sicherlich ein respektabler Haufen Papier....
Nach dem Konzert wird das Künstlerzimmer von Verwandten, Fans und einer Riesenmenge Konzertbesucher „geflutet“. Um das Geld nicht offen herumliegen zu lassen, legt Celibidache es kurzerhand auf einen Schrank. Nach den ausgiebigen Gratulationen und Autogrammen vergisst er, das Geld vom Schrank zu holen, was ihm erst auf der Rückreise einfällt.
Drei Jahre später: wieder ist er mit den Münchner Philharmonikern auf Rumäniengastspiel, dieselbe Stadt, der gleiche Saal, dasselbe Künstlerzimmer. Ihm fällt das vergessene Geld auf dem Schrank ein, worauf er auf einen Stuhl steigt und zweierlei findet: zentimeterdicke Staubschichten und das gesamte Bündel Geldscheine.....
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Während der Aufnahme zu Haydns „Schöpfung“ 1966 in Berlin, winkt Karajan den Tenor Fritz Wunderlich zu sich. „Herr Wunderlich, ich möchte mit Ihnen noch kurz eine Stelle klären. Sehen Sie, ich stelle mir vor es sollte folgendermaßen klingen.“ (Er brummelt ihm im tiefsten Baß eine undefinierbare Tonfolge vor.) Darauf Wunderlich: „Ja, Maestro, SO kann ich`s auch....“
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Karajan`s Wagen wird bei der Anfahrt zum Parkplatz der Berliner Philharmonie von dem eines Geigers der Philharmoniker geschrammt. Er dreht die Scheibe herunter und brummt: „Nicht mal mehr vor den eigenen Leuten ist man sicher“.
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„Ich habe versucht Beethoven zu spielen, David hat geglaubt, er spielt Beethoven. Sviatoslav spielte wie immer nur sich selbst und Karajan glaubte, er ist Beethoven.“
Mstislav Rostropowitsch über die Aufnahme des „Tripelkonzerts“ von Beethoven in Berlin 1969 mit den Kollegen David Oistrach und Sviatoslav Richter
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Anlässlich einer „Tristan“ Aufführung an der MET mit Birgit Nilsson als Isolde kam es dazu, dass sowohl nach dem 1. Akt, als auch nach dem 2. Akt die Sänger des Tristan aufgaben. Als vor dem 3. Akt ein weiterer Tenor nachbesetzt wurde ging Nilsson auf ihn zu und sagte. „Guten Abend, mein Name ist Birgit Nilsson, und wie heißen Sie??“
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Anlässlich einer „Bohème“ Probe an der MET bekam Arturo Toscanini wieder einmal einen seiner legendären Wutanfälle, bei dem er den Sänger des „Rodolfo“ heftig und wiederholt mit Schimpftiraden traktierte. Nachdem dieser, ein relativ unbekannter Tenor, eine Weile den Zorn Toscanini`s über sich ergehen ließ ging er an die Bühnenrampe und sagte:“ Maestro, vergessen Sie nicht, die Leute kommen um mich von vorne zu hören, und nicht um Sie von hinten zu sehen.“
Tacet....
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Aus dem Wiener Zoo im Schönbrunner Schlosspark bricht ein Krokodil aus und entdeckt einen Obdachlosen, welcher auf einer Parkbank eingeschlafen ist. Es fällt über ihn her und frisst ihn auf, bis nur noch der Kopf des Obdachlosen aus dem Maul herausschaut.
Kommt ein altes Mutterl vorbei und sagt:“ Typisch – kein Dach überm Kopf, aber einen Schlafsack von Lacoste.“
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Otto Klemperer hört sich eine Probe seines Kollegen George Szell an, welcher mit den Wiener Philharmonikern an Debussys „La Mer“ arbeitet. Anschließend nach seinem Eindruck befragt brummt er:
„Das war nicht „La Mer“, das war Szell am See“.
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Ein Kunde betritt ein renommiertes Bankhaus in Zürich, eilt zielstrebig zum Schalter. Der Bankbeamte fragt ihn: “Bitte, Sie wünschen?“ Der Kunde flüstert: „Ich möchte ein Konto bei Ihnen eröffnen“.
Deutlich vernehmbar antwortet der Bankbeamte: „Bitte, sehr gerne. Wieviel möchten Sie einbezahlen?“ Noch leiser flüstert der Kunde: „3,8 Millionen Schweizer Franken“.
Darauf der Bankbeamte mit Donnerstimme: „Reden Sie ruhig lauter, Armut ist keine Schande!“
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Ein eitler Dirigent befragt Hans Knappertsbusch zu seiner Meinung über einen jungen Kollegen. KNA antwortet: „Der ist besser als ich, und fast so gut wie Sie“.
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Ein junger Dirigent erhält die Einladung, an einem weltbekannten Opernhaus eine Vorstellung von Puccinis „Madame Butterfly“ zu dirigieren. Nervös hastet er zum Pult, vergisst, dem Konzertmeister die Hand zu geben und beginnt überstürzt, ehe die Musiker nach dem Auftrittsapplaus überhaupt wieder Platz genommen haben. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf….
Der Anfang verwackelt, der Dirigent gibt unnötige Einsätze zuhauf, jeder Tempoübergang wird zum Glücksspiel, als die Sänger hinzukommen, schaut er irritiert auf die Bühne, murmelt Textpassagen vor sich hin die aus einer anderen Oper zu stammen scheinen, verschlägt sich laufend und zischt die Trompeten an, weil sie ihm wohl zu leise erscheinen.
Bühne und Orchester entgleitet jedwede Koordination, teilweise hört es sich an, als ob 2 verschiedene Opern gleichzeitig gespielt würden. Desaströs geht der 1. Akt zu Ende.
Zitternd, mit hochrotem Kopf verlässt der Dirigent das Pult, vorbei an den Musikern, die auf den Boden starren, schelmisch-grinsend hinter vorgehaltener Hand oder offen ihre Kommentare loswerden.
Fast hat der Dirigent den Ausgang erreicht, da muss er noch am Pauker vorbei.
Dieser hält ihn auf und sagt: „Sind Sie froh, daß der Taktstock keine Glöckerl hat“.
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Leonard Bernstein dirigiert in jungen Jahren Strawinskys „Le sacre du printemps“ bei einem Open Air Konzert in Tanglewood. Das Publikum hat freien Eintritt, man sitzt auf dem Rasen, kann Picknick mitbringen und sich auch unterhalten, während vom Orchester entspannt-populäre Musik erwartet wird. „Le sacre du printemps“ gehört nicht unbedingt dazu….!
Bekanntlich steigert sich das Ende des 1. Teils in einer orgastischen Stretta, welche in Tempo und Dynamik immer weiter in einen Exzess taumelt, der ohrenbetäubend unvermittelt abbricht.
In den vorderen Reihen saßen 2 Damen, denen wohl weder das Stück, noch die immer bedrohlichere Lautstärke behagten. So fingen sie an, Kochrezepte auszutauschen und passten ihre Stimmen immer mehr dem „Krach“ der Musik, bis hin zum Schreien an. Was sie nicht ahnen konnten: dass der „Krach“ ohne Vorwarnung abbricht, und völlig-erstarrte Stille herrscht.
Und genau in diese, hörte Bernstein auf dem Podium eine der Damen brüllen:
„ICH NEHME IMMER SCHWEINESCHMALZ!“
Bernstein hat geäußert, daß ihm jedes Mal wenn er den „Sacre“ dirigierte und an das Ende des 1. Teils kam, das Wort „Schweineschmalz“ in den Sinn kam.
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Auf einem Flug von Frankfurt nach New York sitzt in der Business Class eine blonde Dame und bestellt Champagner. Die Stewardess bringt ihn und sagt freundlich: „Dürfte ich bitte nochmals Ihr Ticket sehen?“ Die blonde Dame reicht es ihr. Darauf die Stewardess: „Oh, ich sehe Sie haben ein Ticket für die Economy Class, ich darf Sie bitten dort Platz zu nehmen“.
Die blonde Dame antwortet: “Nein, ich bleibe sitzen, denn ich bin jung, ich bin blond, und ich fliege nach New York“.
Die Stewardess holt den 1. Bordoffizier, jener erhält von der blonden Dame die gleiche Antwort. Daraufhin wird der Co-Pilot geholt, dieser versucht den „Übergang“ freundlich zu gestalten indem er sagt:“ Meine Dame, wenn Sie den Platz verlassen, geht der Champagner auf uns“.
Die blonde Dame schüttelt den Kopf. „Nein, hier bleibe ich sitzen, denn ich bin jung, ich bin blond, und ich fliege nach New York.“
Der Co-Pilot geht ins Cockpit, sagt dem Piloten, daß er für ihn das Steuer kurz übernehme und bittet ihn, mit der blonden Dame zu sprechen. Der Pilot begibt sich zu der blonden Dame, setzt sich neben sie, und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sofort springt die blonde Dame von ihrem Sitz auf und rast Richtung Economy Class.
Daraufhin bestürmt die Crew den Piloten: „Was hast Du ihr gesagt??“
Der Pilot grinst: „Ich habe ihr gesagt, die Business Class fliegt nicht nach New York“.
*
Anlässlich eines Theaterbesuches in Frankfurt trifft der Pianist Alfred Brendel nach Vorstellungsende an der Garderobe den renommierten Musik- und Literaturkritiker Joachim Kaiser.
Kaiser: „Ah, Herr Brendel, wie schön, Sie hier anzutreffen! Was machen Sie in Frankfurt?“
Brendel: „Ich gebe hier morgen einen Klavierabend“.
Kaiser: Oh, das ist mir entgangen. Sehr gerne möchte ich zu Ihrem Konzert kommen; würden Sie mir freundlicherweise eine Karte an die Abendkasse legen lassen?“
Brendel: „Selbstverständlich, ich freue mich!“
Sie verbschieden sich. Im Weggehen dreht sich Kaiser noch einmal um:
„Wissen Sie denn meinen Namen?“
Brendel (ernsthaft): „Selbstverständlich! Sie sind Herr Reich-Ranicki.“
(Wahre Begebenheit aus den 1960er Jahren - ein Lieblingswitz von Alfred Brendel)
„Ich träume mit offenen Augen"
Peter Seiffert zum 60. GeburtstagViel schon hatte ich von und über ihn gehört: daß es endlich wieder einen deutschen Tenor mit „Gold in der Kehle“ gäbe der lyrisch und heldisch zugleich draufhätte, außerdem kein Stumpen sondern ein Mannsbild sei, kein Mimöschen sondern eher rheinische Frohnatur und überhaupt: endlich mal wieder einer, der die „Sau raus lassen“ würde auf der Bühne....
Auch für Tenöre gibt`s einen Anfang, und der Deine war „Hoffmanns Erzählungen“ in Innsbruck.
Alles andere als ein „Leichtgewicht“ - das war Dir als ehemaliger Rhein-Ruhr-Wupper Jugend-Boxmeister schnell klar...(übrigens war „Hoffmann“ auch die erste von mir dirigierte Oper). Mit dem Kleinzack kamst Du „Auf Zack“, denn der Betriebsdirektor der Bayerischen Staatsoper hörte eine Vorstellung und arrangierte ein Vorsingen beim „Herrn Professor“ - dem gestrengen Münchner Generalmusikdirektor Wolfgang Sawallisch. In seinem Zimmer mit dem berüchtigten Zebra-Teppichboden - Dies Bildnis ist bezaubernd schön - hast Du Dir Deine Zukunft ersungen! München und die Staatsoper wurden fortan Dein Heimathafen und die musikalischen Hausgötter der Stadt - Mozart, Wagner, Richard Strauss - lächelten einander an: „Es gibt ihn wieder - den Tenor der alles kann!“
Alle drei scheinen Dich von Anfang an gemocht zu haben, und sind bis heute treue Freunde geblieben.... Tamino, Erik und Matteo sorgten für Furore und machten manchen Kollegen und auch die Damenwelt nervös, bis Lucia für klare Verhältnisse sorgte.
Nach der Lage der gemeinsamen Wohnung befragt, hast Du einfach mit „Lohengrin“ geantwortet: In fernem Land, unnahbar euren Schritten. Der Schwanenritter wurde Deine Glanzpartie, auch wenn dafür der Schnurrbart dran glauben musste... Bewegte, intensive und sehr erfolgreiche Jahre auf den Bühnenbrettern dieser Welt nahmen Fahrt auf; Glanz und Gloria des Sängerlebens strahlten hell über euch, aber auch das Zwielicht und die Schattenseiten des Berufes wurden Dir vertraut. Wir sind nicht grad` sehr viel nach dem Maß dieser Welt - wir laufen halt so mit.... immer wieder war dieser Satz aus der „Arabella“ von Dir zu hören.
Dann hat das Schicksal euer Rad angehalten, und Du hast Deinen Weg alleine fortgesetzt - Gott! Welch Dunkel hier! Doch es ging weiter - Durch die Wälder, durch die Auen...
Dein „Probeschuss“ hat Petra, die Wienerin mit dem Schmelz in der Stimme so in Wallung gebracht, daß ihr als Paar zueinander gefunden habt und die Winterstürme dem Wonnemond wichen.
Unversehens war Schau einer schönen Frau nicht zu tief in die Augen kein Thema mehr denn von Petra tönte es Du bist der Lenz, nach dem ich verlangte - darauf Du: O süßeste Wonne, seligstes Weib - Peter heiß` ich und Peter bin ich! Und daß Du`s weisst: Dein ist mein g(j)anzes Herz!
Die Folge: Florestan und Tristan ließen sich nicht mehr aufhalten und sorgen seiterher dafür, daß keine Langeweile im Hause Seiffert aufkommt!
Lohengrin und Stolzing auf dem Grünen Hügel, Tristan an der Met, Otello in Zürich, Tannhäuser wie`s nie besser einen gab, wenn`s dran ist auch mal Parsifal - denn auch die Intendanten wissen: Nur eine Waffe taugt! Siegmund in Valencia, Max in Salzburg, Bacchus in Hamburg, Kaiser in Tokyo...
Was hätten Deine Eltern dazu gesagt? Es lässt sich ahnen: sie wären stolz auf Dich!
Dankbarkeit und Achtung war immer herauszuhören, wenn Du von ihnen erzählt hast; den Anfang von jet Ganze im Düsseldorfer „Malkasten“ hast Du nit verjessen, ebenso ist Dir der rheinsche Frohsinn und die Freude am Geniessen nicht abhanden gekommen!
Das Gemüt der Kneipen-Poesie ist Dir ein Kompass auf dem Narrenschiff des Opern-Alltags geblieben:
Das Beste für die Nierchen sind die Bierchen,
Die Liebe geht, der Durst bleibt,
Ich bin versorgt, mir geht es g(j)ut, ich hab` en kleine Schaschlik Bud`
Die einfachen, scheinbar „kleinen“ Weisheiten sind es oftmals, die dem Alltag Schmackes, und den Lebens-Batterien neuen Schwung geben - Freunde, das Leben ist lebenswert!
Nach „Tristan-Rasereien“ und ähnlich tenoralen Blut-und Schweiss Passionen, steuerst Du zielsicher die nächste Kneipe an, um Dich wieder zu erden... Wess Herd dies auch sei, hier muss ich rasten! Das Bier in fröhlicher Runde gibt Dir mehr, als jeder gelackte Stehempfang mit Dosen-Scampi und lauwarmem Schaumwein... Trotzdem man Dir den Titel Bayerischer- und Wiener Kammersänger verliehen hat, hast Du nicht „abgehoben“ - keine Allüren und kein Fatzke-Gehabe, allerdings deutliche Worte wo es nötig wird...! Mancher Gernegross hat Dich schon unterschätzt....
Für die sogenannten „kleinen Lichter“, die redlichen, zuweilen auch schlitzohrigen „Leut` ohne Gedöns“ hast Du immer eine Portion Extra-Sympathie auf Lager - Du hast nie vergessen, dass nicht jeder auf dem Sieger-Treppchen Platz finden, dennoch - oder gerade deshalb? - aber das Herz auf dem „rechten Fleck“ haben kann!
A propos Treppchen: einmal saßen wir in Zürich an der Limmat auf einem Selbigen welches direkt ins Wasser führte; es war nach dem Tag Deiner „Parsifal“-Premiere im September 1996. Du hast in warmherzigen Worten von Nico Dostal, der Vergänglichkeit im Leben und dem, was einmal bleibt gesprochen. Das hab`ich in allen Jahren nicht vergessen.
Und auch nicht Dein „Bravo Daniel“ in den dunklen Zuschauerraum der Wiener Volksoper vor dem 2. Akt, als Du unlängst mit Petra eine Vorstellung vom „Land des Lächelns“ besucht hast um mich am Pult Immer nur lächeln und immer vergnügt zu sehen.
Auf Sparflamme hast Du nie gekocht, eher schon mal vor Freude oder Ärger. Vor allem aber hast Du Eines in allen Jahren beherzigt: es bleibt einem nur das, was man gegeben hat...
Jetzt lass Dich feiern! Du hast es verdient!
Und wirst Du heute 60 Jahr`, so sieht man höchstens dies am Haar!
Ansonsten gilt die alte List, die Johann Strauß zu danken ist:
Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist!
Daniel
4. Januar 2014 - Berlin
„Leuchte, heller Spiegel, mir"
Nach einigen Operettenproduktionen (meine erste war „Die lustige Witwe“!) konnte ich am Staatstheater Cottbus die erste „große Oper“ dirigieren.
Die 5-aktige Oper, welche in einer nahezu kriminalistischen Stringenz verläuft, stellt für die Sänger der Hauptpartien hohe Anforderungen, und ist auch dirigiertechnisch eine enorme Herausforderung.
Die Rasanz der kontrastreichen Handlung, die Skurrilität der Charaktere, das immanente Auf- und Abblenden zwischen Realität und Unwirklichkeit, die plastisch visualisierten, wechselnden Schauplätze, nehmen in dieser „Phantastischen Oper“ (Uraufführung Paris, 1881) bereits die späteren Möglichkeiten des Films voraus.
Die Atemlosigkeit des Geschehens steigert sich im Verlauf der Episoden - „Hoffmanns“ Taumel erreicht seinen Siedepunkt in der Begegnung mit der Kurtisane Giulietta, welche ihn in Venedig in ihren Bann zieht.
In einer Situation gefährlicher Zuspitzung, unheimlicher Bedrohlichkeit, welche durch die undurchsichtigen Machenschaften von Giulietta, Dapertutto und Schlemihl jene Nacht für „Hoffmann“ zu einem hitzigen Alptraum werden lassen, bleibt plötzlich die Zeit stehen und lässt eine wundersame Musik aufleuchten.
Die „Spiegelarie“, in welcher Dapertutto die Magie seines Diamanten beschwört, gab mir in jeder dirigierten Aufführung ein Gefühl der Schwerelosigkeit, öffnete einen Blick in den eigenen Lebens-Spiegel und dessen Unergründlichkeit. Die Wirkung innerer Weite blieb mir unverloren...
„Wie, hör‘ ich das Licht?"
Warum fehlt im Schlussakkord von „Tristan und Isolde“ das Englischhorn?
Bei flüchtiger Betrachtung fällt es nicht auf, bei genauer aber umso rätselhafter: EIN Instrument fehlt in diesem Akkord - das Englischhorn.
Ein „Zufall“ schließt sich bei einem Genie wie Richard Wagner aus. Daher habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, warum er das Englischhorn im Schlussakkord pausieren lässt, welchen Grund es haben mag, dieses - im gesamten Stück so prägnant erklingende Instrument – am Ende schweigen zu lassen?
Trotz mancher Vermutungen und Hypothesen, fand ich keine schlüssige Antwort. Auch der Austausch dieser Frage mit Kollegen blieb ohne Klärung.
Diese ergab sich ganz unvermutet, als ich ein TV Portrait über den Dirigenten Sir Georg Solti sah. Solti wurde 1946 mit 34 Jahren Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper in München.
Ganze 3(!) Opern hatte er vor seinem Amtsantritt dirigiert und stand plötzlich (quasi „über Nacht“) an der Spitze eines der legendärsten Opernhäuser der Welt, welches zum damaligen Zeitpunkt in Schutt und Asche lag. Die Proben und Aufführungen fanden daher im akustisch hervorragenden Prinzregententheater statt, welches von der Bombardierung weitgehend verschont blieb.
Soltis forsches Temperament, einer „Sprungfeder“ gleich, zudem nicht mit diplomatischem Geschick gesegnet, seine kaum vorhandene Praxis im Operngraben und die als „gewöhnungsbedürftig“ bekrittelte Schlagtechnik, bescherten ihm und der Bayerischen Staatsoper sechs stürmische Jahre.
Allen Beteiligten war schnell klar, daß man quasi einen „Anfänger“ engagiert hatte, der das zu bewältigende Repertoire eines GMD „prima vista“, also durchwegs zum ersten Mal einstudieren und dirigieren musste.
Schon in den ersten Wochen seiner Tätigkeit stand ihm mit der Neueinstudierung von „Salome“ eine Feuertaufe bevor, zumal Richard Strauss als Zuhörer die Vorstellung besuchte. Nach der Aufführung kam es zu einer kurzen Begegnung zwischen dem 82jährigen Komponisten und Solti. Strauss sagte zu ihm: „Wenn man dieses Stück zu dirigieren hat, braucht man Mut. Sie haben ihn! Falls Sie irgendwann einmal Fragen haben, Rat hören wollen, so besuchen Sie mich in Garmisch“. Wenig später stand für Solti sein erster „Rosenkavalier“ im Kalender und so fuhr er nach Garmisch, da ihm die Partitur mit all den darin enthaltenen Schwierigkeiten - speziell der Tempofragen - schlaflose Nächte bereitete.
Strauss empfing ihn selbst an der Haustüre, fragte nach dem und jenem Sänger, sowie dem derzeitigen „Tratsch“ an der Bayerischen Staatsoper um dem jungen Kollegen die Nervosität vor der Begegnung zu nehmen.
Dann setzte er sich an den Flügel und sagte zu ihm: „Rosenkavalier“ ist nicht so schwer wie er aussieht. Das jeweils richtige Tempo finden Sie, indem Sie den Text sprechen. Daraus ergibt sich für die Sänger und das Orchester der natürliche Fluss wie von selbst. Er führte einige Stellen als Beispiel an, vor allem auch die Temponahme des Schlussterzetts, das „in einem zu langsamen Tempo nicht mehr funktioniere, und in sich zusammenfalle“.
Vieles hätte Solti an diesem Vormittag von unschätzbarem Wert noch gerne erfahren….
Doch unvermittelt flog die Türe zum Arbeitszimmer auf, Pauline Strauss stand vor ihnen und beschied mit Trompetenstimme: „Der junge Herr muss jetzt gehen, das Mittagessen ist fertig“.
Strauss stand auf und sagte zu Solti: „Ich bringe Sie noch zur Haustüre“. In der Diele blieb er unvermittelt stehen und sagte: „Wissen Sie, warum im Schlussakkord des „Tristan“ das Englischhorn fehlt?“ Solti verneinte.
Strauss sagte: „Das Englischhorn symbolisiert im „Tristan“ das Gift – allgegenwärtig in diesem Werk, lässt es die Verbindung der Liebenden nicht zu, wird erst aufgelöst durch Isoldes „Liebestod“. Dieser erst ermöglicht das Wieder-Finden der beiden in „des Weltalls wehendem All“.
Das Gift des Sehnens und Leidens ist eliminiert. Daher schweigt das Englischhorn im Schlussakkord dieser Wunderpartitur“.
Daniel Beyer
Hamburg 24. August, 2022